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THEMA: Arbeitskämpfe
ORT: Berlin
ZEIT: 24. Oktober 2003
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv/ 140 \
 

Kundgebung gegen Lohnbetrug

Am Freitag, den 24. Oktober fand der erste Aktionstag der "Gesellschaft für Legalisierung" in Berlin statt. Das vor einiger Zeit gegründete Bündnis verschiedener antirassistischer Gruppen hatte zu einer ganztägigen Bustour durch Berlin geladen, um politische und soziale Rechte für MigrantInnen mit oder ohne Papiere einzufordern. Im Rahmen des Aktionstages gab es auch eine "Kundgebung gegen Lohnbetrug" der Flüchtlingsinitiative Brandenburg und Elexir-A auf einer Großbaustelle der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) in der Rathauspassage am S-Bahnhof Alexanderplatz.

Zum Hintergrund: Am 11. Juni 2003 (siehe Fotobericht) organisierte die Gruppe eine Demonstration vor der Großbaustelle Rathauspassage der WBM, um auf die Situation von 20 lohngeprellten afrikanischen Arbeitern aufmerksam zu machen. Diese Aktion hatte Erfolg, denn die WBM übte Druck auf ihre Subunternehmen aus, die daraufhin die ausstehende Lohnsumme von insgesamt ungefähr 13.500 Euro bezahlten.
Seither wurde die Brandenburger Flüchtlingsinitiative (BFI) und die antirassistische Gruppe Elexir-A von weiteren lohngeprellten Arbeitern von derselben Baustelle um Unterstützung gebeten, weil diese über die Medien von der Demonstration erfahren hatten. Es handelt sich um weitere Mitglieder derselben Arbeiter-Gruppe, sowie um 3 weitere Gruppen von Arbeitern, die davor und danach auf derselben Baustelle gearbeitet haben. Es ergibt sich daraus ein Bild von systematischem Lohnbetrug über den Zeitraum von mindestens 7 Monaten.
In Verhandlungen mit der WBM Anfang dieser Woche kam es zu weiteren Teilerfolgen und die Auszahlung von weiteren 12.000 Euro für 13 Arbeiter durch die entsprechenden Subunternehmen wurde zugesichert.
Noch ausstehende Löhne von acht Arbeitern summieren sich auf 18.500 EURO. Die Gruppe fordert die Auszahlung der ausstehenden Löhne, Mindestrechte für alle ArbeiterInnen unabhängig vom Aufenthaltsstatus und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. (siehe auch untenstehenden Redebeitrag von Elixir A, der auf der Kundgebung gehalten wurde)


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Fotos: Fadl/Umbruch-Bildarchiv (weitere: wähle mit der Maus ein Dia))
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Redebeitrag Kundgebung Rathauspassagen 24. 10. 2003 (Elixir A)

Im Rahmen der Bustour der neu gegründeten Gesellschaft für Legalisierung soll an diesem Zwischenstopp über Arbeitsbedingungen von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus geredet werden und vor allem deren erfolgreiche und andauernde Arbeitskämpfe gefeiert und bestärkt werden. Prinzipiell besteht für nichtdeutsche Menschen in der brd ein Arbeitsverbot, nur im "Bedarfsfall" wird diese für bestimmte Menschen per Arbeitserlaubnis außer Kraft gesetzt. Menschen ohne Papiere haben keinerlei Zugang zu einer Arbeitserlaubnis. Für Menschen im Asylverfahren besteht zumindest formal eine Option auf eine Arbeitserlaubnis nach einem Jahr. Diese gilt jedoch nur nach einer Arbeitsmarktsüberprüfung, und nachdem ausgeschlossen wurde, dass für für einen spezifischen Arbeitsplatz kein passender Deutscher/ oder Deutsche gefunden werden konnte. In Zusammenhang mit Residenzpflicht und Sammellagerunterbringung bedeutet dies ein faktischen Arbeitsverbot auch für Asylsuchende. Flüchtlinge gehen aber trotzdem arbeiten und dies bedeutet meistens ungesicherte Arbeitsverhältnisse und damit verbunden mehr Schwierigkeiten ihre Rechte als ArbeiterInnen durchzusetzen. Gerade in Fällen von Unregelmäßigkeiten von Lohnauszahlungen oder Lohnverweigerung erscheinen Arbeitskampfmöglichkeiten gering.

Vorstellung der Kampagne
Mit der Kampagne gegen Lohnbetrug , die von der Flüchtlingsinitiative Brandenburg und elexir_A getragen wird, versuchen wir genau an diesem Punkt anzusetzen und Menschen in ihrem Kampf um Lohnauszahlung zu unterstützen. Wir unterstützen Arbeiter mit ihren konkreten Forderungen. Daneben machen wir auch Veranstaltungen in Flüchtlingswohnheimen, in dem die Möglichkeiten und Rechte diskutiert wurden, sich gegen Lohnbetrug zu wehren. Flüchtlinge haben sehr viel praktische Erfahrung mit der konkreten Situation in ungesicherten Arbeitsverhältnissen. Trotzdem sind Infos zur Gesetzeslage und zu Themen wie Rechte am Arbeitsplatz, Möglichkeiten der Absicherung gegen Arbeitgeberwillkür und der Austausch mit Erfahrungen anderer, die Widerstand geleistet haben, durchaus hilfreich.

Konkreter Fall WBM, die Zweite
Wie einige von Euch mitbekommen haben, stehen wir zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate vor den Rathauspassagen, einem Bauprojekt der WBM. Im Juni haben 19 Arbeiter erfolgreich ihren ausstehenden Lohn, in Höhe von 13.500€, eingefordert. Daran anschließend stellte sich heraus, dass auf dieser Baustelle über eine Zeitraum von einem halben Jahr systematisch mit verschiedenen Gruppen von Arbeitern Lohnbetrug betrieben wurde. Wie im Baugewebe üblich wird die Verantwortung in dem undurchsichtigem Geflecht von Subunternehmen und Firmeninsolvenzen hin- und her geschoben. Insgesamt wurden bislang die Fälle von 23 Arbeitern bekannt, die um über 30.000€ betrogen wurden. Auch für diese Fälle sehen wir die WBM in der Verantwortung und fordern sie auf, sich nicht hinter ihren Subunternehmen zu verstecken.

Unterstützung der selbstorganisierten Arbeitskämpfe

Die betroffenen Arbeiter haben bereits vor dem Kontakt mit der Kampagne gegen Lohnbetrug unterschiedliche Versuche gemacht, um ihre Löhne zu erkämpfen. So wurde zum Beispiel mehrmals auf der Baustelle Arbeitsgeräte beschlagnahmt, um die Lohnauszahlung zu erzwingen. Dies wurde jedoch mit Einsatz der Polizei verhindert. Genauso wurden mehrfach die Verantwortlichen direkt von den Arbeitern mit ihrem Forderungen konfrontiert. Kein einziges Mal hat sich die zuständige Gewerkschaft dafür interessiert oder auch nur solidarisch erklärt. Auch die antirassistische Szene hat sich bislang wenig für die konkrete Arbeitskämpfe von MigrantInnen und Flüchtlingen engagiert. In diesem Sinne verstehen wir diese Aktion heute: Wir wollen den politischen Raum erweitern, in dem gesellschaftlich relevant die Forderungen und Kämpfe von präkarisierten ArbeiterInnen aufgegriffen werden. In diesem Fall Flüchtlinge, die um ihren Lohn betrogen wurden. Dies richtet sich als Forderung an Gewerkschaften, wie an antirassistische Gruppen und an eine Öffentlichkeit, die über die Art, wie sie auf diese Situation reagiert, bestimmen kann, ob sie die rassistische Hierarchisierung des Arbeitsmarktes mitträgt.

Von den Gewerkschaften fordern wir konkret:
- Den Zugang zu materiellen Unterstützung und Beratung so zu gestalten, dass sie auch für ArbeiterInnen in ungesicherten Arbeits- und Aufenthalts-verhältnissen ein adäquates Angebot darstellen.
- Beendigung ihrer Politik der Ausgrenzung und Forderungen nach Razzien.

Um allen Mißverständnissen entgegen zu treten: Wir wollen nicht die sogenannte Schwarzarbeit skandalisieren: Das machen wir nicht! Da würden wir schon eher das Recht auf Schwarzarbeit oder das Recht auf Faulheit fordern, als etwas anderes. Aber das ist hier nicht das Thema. Darum geht es nicht. Wir wollen thematisieren, dass KollegInnen gezwungen werden, "schwarz zu arbeiten", weil sie einfach keine Arbeitserlaubnis erhalten und das oft über Jahre. Das halten wir für entwürdigend. Es sind besonders die Gewerkschaften und die SPD, die hier den Arbeitsmarkt schließen wollen und damit aber nichts anderes tun als ein weiteres Segment niedriger Ebene öffnen - auf einer fast völlig entrechteten Ebene. Wir thematisieren hier, dass Menschen gearbeitet haben und ihr Geld nicht bekommen. Wir protestieren gegen Arbeitgeber, die systematisch versuchen, die relative Rechtlosigkeit von ArbeiterInnen auszunutzen. Dies ist ihnen auf dieser Baustelle nicht absolut gelungen, denn auch in der zweiten Runde der Rathauspassagen-Lohnbetrug-Geschichte sind erste Erfolge zu vermelden. Durch den kontinuierlichen Druck der betroffenen Arbeiter und in Verhandlungen mit der WBM und deren Subunternehmen konnte eine Zusage für die Lohnauszahlung von 12.000 € für zwei Gruppen errungen werden. Obwohl das Geld noch nicht da ist, wollen wir heute auf diesen Teilerfolg anstoßen. Gleichzeitig bekräftigen wir die Forderungen nach dem restlichen Geld, nämlich 19.000 € für die letzte Gruppe an Arbeitern.
Wir fordern die WBM auf, die Verantwortung für ihre Baustelle zu übernehmen und für die Auszahlung der Löhne zu sorgen!

· RECHT AUF ARBEIT FÜR ALLE - UNABHÄNGIG VOM AUFENTHALTSSTATUS!
· GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!
· SCHLUSS MIT DEN RAZZIEN AUF BAUSTELLEN!
· GEGEN AUSBEUTUNG UND ILLEGALISIERUNG !

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