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In Mumbai protestieren 1oo ooo BäuerInnen gegen die WTO- Politik
der indischen Regierung und die Senkung der Subventionen für Agrarprodukte
Das "Indische Koordinationskomitee bäuerlicher Bewegungen
(ICCFM), eine Koalition bäuerlicher Gewerkschaften aus ganz Indien,
organisierte in Mumbai am 2. Oktober 2oo5 massive Proteste. Ihr Protest
richtete sich gegen die Importe hochsubventionierter Agrarprodukte
zu Dumpingpreisen und die Unternehmens- freundliche Politik der indischen
Regierung, die die Interessen der BäuerInnen nicht berücksichtigt.
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Seit Indien1995 der WTO beigetreten ist, ist das Volumen der Agrarimporte
aus "entwickelten" Ländern, die unter ihrem Herstellungspreis
abgesetzt werden, stark gestiegen. Dies hat zu einem scharfen Verfall
der inländischen Agrarpreise geführt und die Agrarkrise
im ländlichen Indien verstärkt. Bei den Agrarimporten handelt
es sich u. a. um Öle, Hülsenfrüchte, Milchprodukte,
Cashew- Nüssen, Früchte und Baumwolle.
Die Krise in der Landwirtschaft wird überall in Indien an den
Selbstmorden von BäuerInnen sichtbar. Seit 1995 haben indienweit
über 25 ooo BäuerInnen Selbstmord begangen. Die Ursachen
dafür sind einerseits die Auswirkungen der kapitalintensiven,
von den Agrarunternehmen gelenkten, exportorientierten und für
die Interessen der BäuerInnen nicht empfänglichen indischen
Innenpolitik und andererseits der Preisverfall inländischer Agrarprodukte,
im Kontext des, auf dem Wegfall quantitativer Restriktionen basierenden,
Importanstiegs.
Die Hauptlast dieser Entwicklung tragen die kleinen und marginalisierten
BäuerInnen Indiens. Dies ist eine direkte Auswirkung des WTO
Agrarabkommens (Agreement on Agriculture= AoA), dass gleichzeitig
die Subventionen in den "entwickelten" Ländern schützt
und ihnen zudem gestattet billige Waren in Ländern wie Indien
abzuwerfen. Trotzdem werden die Interessen der indischen BäuerInnen,
im Kontext der WTO Ministerkonferenz in Hong Kong, von der indischen
Regierung nicht berücksichtigt.
Die Handelsdefizite im Agrarbereich haben einen dramatischen Einfluss
auf die Preise der Agrarprodukte und auf das Einkommen und die Lebensgrundlage
der indischen Klein- BäuerInnen. Seit dem Inkrafttreten der WTO
Bestimmungen sind die Preise für Agrarprodukte international
gesunken. Zwischen 1980 und 2ooo sind die Weltmarktpreise der 18 wichtigsten
Produkte um einen Realwert von 25% gesunken. In dieser Periode war
der Preisverfall besonders stark bei Baumwolle (47%), Kaffee (64%),
Reis (61%), Kakao (71%) und Zucker (77%). Die Weltmarktpreise für
Baumwolle sind beispielsweise von 128 Cent/ Bündel im Jahr 1981
auf 38,7 Cent/ Bündel 2oo2 gesunken. Die gleiche Tendenz zeigt
sich bei Reis, dort sind im gleichen Zeitraum die Preise von 565 US$/
Tonne auf 160,8 US$/ Tonne gesunken und bei Zucker von 18,11 Cent
/ Pfund auf 5,68 Cent/Pfund.
Die Ursachen für den Preisverfall der Agrarprodukte liegen vor
allem an den hohen Inlands- und Exportsubventionen in den "entwickelten"
Ländern. So wurde beispielsweise, nach Angaben der OECD (den
meist industrialisiertesten Ländern), in den OECD- Staaten die
Summe der Subventionen von 275,6 Milliarden US$ (jährliche Durchschnittssumme
zw. 1986-88) auf 326 Milliarden US$ 1999 erhöht. ...
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Der Bericht zeigt in den Angaben zu 2oo3, dass die Agrarprodukte
die aus den USA exportiert wurden unter ihrem Herstellungspreis verkauft
wurden:
- Weizen wurde durchschnittlich 28% unter den Herstellungskosten exportiert.
- Baumwolle wurde durchschnittlich 47% unter den Herstellungskosten
exportiert.
- Reis wurde um durchschnittlich 26 % unter den Herstellungskosten
exportiert.
Solange es diese Subventionen gibt, werden weiterhin Agrarprodukte
aus dem Norden zu Dumpingpreisen in "Entwicklungsländern"
abgelagert werden. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensgrundlage
und die Nahrungssicherheit in Ländern wie Indien.
Statt der Auseinandersetzung mit diesen Störfaktoren in der Handelspolitik
wird von den Länder des Nordens jedoch weiterhin Druck auf die
Länder des Südens ausgeübt und eine weitere Senkung
der Agrarzölle eingefordert, um den großen Agrarunternehmen
einen freien Zugang zu den Märkten zu ermöglichen. Die Zölle
sind in den Ländern des Südens jedoch bereits sehr niedrig
und es gibt kaum Kapazitäten sie weiter zu senken ohne die ländliche
Ökonomie schwerwiegend zu stören. Zölle sind die einzigen
Instrumente der Länder aus dem Süden um ihre BäuerInnen
zu schützen.
1990-91 betrug die Rate der Importzölle in Indien noch durchschnittlich
113 %. 1997-98 wurde die Rate drastisch auf 35% reduziert, nach einem
kurzen Anstieg der Rate auf 41% 2001-02, reduzierte sie sich 2oo4-o5
erneut auf durchschnittlich 37,5%. Somit ist die Rate der Importzölle
2oo4-05 nahezu 65% niedriger als sie noch 1990-91 war. ...
Aufgrund des Wegfalls quantitativer Restriktionen und einer Senkung
der Zölle hat in Indien der Import hochsubventionierter Argrarprodukte
stark zugenommen. Der Import von Hülsenfrüchten ist 1995/96
von 490,75 Tausend Tonnen auf 1992,8 Tausend Tonnen 2oo2/o3 gestiegen.
Ähnlich der Import von Gewürzen: Von ursprünglich 24,8
Tausend Tonnen 1995/96 sind die Importe auf 147,69 Tausend Tonnen
2oo3/o4 gestiegen und der Import von Zucker ist von 29 Tausend Tonnen
1996/97 auf 932,3 Tausend Tonnen 2oo4/5 gestiegen. ...
Diese Agrarimporte führen zu einem Preisdumping inländischer
Agrarprodukte. Dies verursacht eine Agrarkrise und diese treibt BäuerInnen,
die nicht einmal mehr ihre eigenen Investitionen erwirtschaften können,
in den Selbstmord.
Die indischen BäuerInnen fordern deshalb eine sofortige Wiedereinführung
quantitativer Restriktionen. Diese und eine Erhöhung der Zölle
sind unumgänglich, um das Überleben der indischen BäuerInnen
zu sichern. Wir haben ein Recht auf quantitative Restriktionen, darauf,
uns vor den billigen Agrarprodukten zu schützen, die zu Genozit
führen. Die durch die WTO- Bestimmungen verursachte Verzerrung
in der Lebensmittelversorgung und dem Agrarsektor müssen umgehend
beseitigt werden.
Wir glauben, dass die Struktur der WTO Bestimmungen zu einer Verzerrung
des Handels führt, auf Kosten der KleinbäuerInnen, der Nahrungsmittelsouveränität
und eines gerechten Handels. Deshalb fordern wir, dass die Landwirtschaft
aus der WTO ausgelagert wird.
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In Indien ist die Landwirtschaft keine Industrie. 70 % der indischen
Bevölkerung liefert sie einen Großteil der Lebensgrundlage.
Deshalb fordern wir die indische Regierung dazu auf, aus der WTO auszusteigen.
Die Landwirtschaft sollte kein Bestandteil der Verhandlungen im Rahmen
der WTO sein.
Yudhvir Sing (ICCFM)
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