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Update vom 6.10.03: Am 1. Oktober fand vorm Amtsgericht Bremen der zweite Verhandlungstag im Verfahren gegen Sunny Omwenyeke statt. Hier ein Bericht über die Gerichtsverhandlung. Nächster Termin: Donnerstag, 9.10.03 um 9.00 Uhr, Amtsgericht Bremen, Zi. 551
THEMA: Residenzpflicht
ORT: Prozess in Bremen
ZEIT: 1. Oktober 2003
 

Prozess gegen
Sunny Omwenyeke

Sunny Omwenyeke (The VOICE, Bremen) steht vor Gericht, weil er die "Residenzpflicht" verletzt hat und nicht bereit ist, die dafür gegen ihn verhängte Strafe zu bezahlen. Während seiner Teilnahme an verschiedenen Karawane-Aktivitäten ist er im Jahr 2000 mehrfach von der Polizei außerhalb seines früheren Landkreises Wolfsburg kontrolliert worden; unter anderem weil er wie Cornelius Yufanyi an einem Flüchtlingskongress Ende April 2000 in Jena teilgenommen hatte, obwohl er dafür keine Erlaubnis der Ausländerbehörde erhalten hatte. Nachdem das Verfahren gegen ihn in der ersten Anhörung am 6. Februar 2001 zunächst wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde, rollte der Staatsanwalt es jetzt wieder neu auf. Nun soll Sunny Omwenyke 30 Tagessätze zu 7,50 Euro Geldstrafe bezahlen oder ersatzweise für 30 Tage ins Gefängnis gegen.
Am Mittwoch, den 1. Oktober 2003 findet der zweite Prozesstag am 13:45 Uhr im Amtsgericht Bremen, Ostertorstrasse 25 - 31 (Eingang B) statt. Wie schon am ersten Gerichtstag (24.9.03) gibt es auch diesmal eine Mahnwache um 13.00 Uhr vor dem Amtsgericht Bremen, zu der alle herzlich eingeladen sind.
Untenstehend eine Stellungnahme von Sunny Omwenyeke und einige Eindrücke vom ersten Prozesstag.

Das folgende Interview mit Sunny Omwenyeke entstand vor seiner ersten Gerichtsverhandlung während eines bundesweiten Karawanetreffens in Berlin am 20. Januar 2001. Streaming-Video 6'56 Min.
Kontakt und weitere Informationen: Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen in Bremen, Bernhardtstrasse 10-12, 28203 Bremen, Fon: 0179-4850098, 0421-7901309, mail@basicrights.de, www.basicrights.de, 0179-4850098.



Interview: Jetti/Umbruch-Bildarchiv

Klicke auf das obenstehende Bild und siehe ein Streaming Video. (6'56 Min.)
Den dafür benötigten Real Player gibt es hier frei zum downloaden.

FÜR DIE BEWEGUNGSFREIHEIT von Flüchtlingen

Ich bin Mitglied von "The VOICE Refugee Forum und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen, und stehe beim Amtsgericht Bremen
unter Anklage, weil ich gegen die sogenannte Residenzpflicht verstoßen habe.

Der verhandelte Fall geht zurück ins Jahr 2000, als ich noch in Wolfsburg als Asylbewerber lebte und von den dortigen Behörden aufgrund meiner politischen Aktivitäten keine Genehmigung mehr zum Verlassen der Stadt bekam.
Die Verhandlung wurde für Mittwoch, den 24. September 2003 einberufen. Viele Menschen, kamen zur Verhandlung, um mich in meinem Kampf für mein Grundrecht auf Bewegungsfreiheit zu unterstützen - einige sind extra aus anderen Städten angereist.
Der zuständige Richter Rathke zeigte sich von Anfang an sehr voreingenommen und machte seinen Unmut deutlich, dass mehr Besucherinnen und Besucher dem Prozess beiwohnen wollten als Stühle im Gerichtssaal waren, und deshalb der Beginn des Prozesses etwas verzögert wurde.

Zu Beginn der Verhandlung Fragte mich der Richter, ob ich die Klage nicht doch noch zurückziehen wolle, das bestehende Strafmass könnte sich ja schließlich noch mehr zu meinen ungunsten verändern. Das war für mich völlig inakzeptabel. Die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke hat dann zwei Anträge gestellt:
1.) dass der Fall an das Bundesverfassungsgericht überstellt werden solle, weil das BVG bislang noch kein Urteil über die Rechtmäßigkeit der nur in
Deutschland existierenden Residenzpflicht gefällt hat. Denn mit dem Internationalen Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention ist das Gesetz nicht vereinbar.
2.) Das Gericht solle meine Rechtshilfekosten übernehmen - beide Anträge wurden abgelehnt.

Im weiteren Verlauf des Prozesses stellte sich heraus, dass Herr Rathke erhebliche Wissenslücken im Ausländergesetz hat und noch nicht einmal die Grundzüge des Asylrechts kennt. Der geladene Zeuge, ein Sachbearbeiter von der Bremer Ausländerbehörde diente in erster Linie dazu, den Richter über den Aufenthaltsstatus von mir aufzuklären, und dass ich jetzt, da ich mit einer Deutschen verheiratet und als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§51 Auslg.) anerkannt bin und eine Aufenthaltserlaubnis habe, nicht mehr gegen die Residenzpflicht verstoßen kann.

Eine entscheidende offene Frage in dem Verfahren war aber die Tatsache, dass mir von meiner Ausländerbehörde in Wolfsburg eine Erlaubnis zum Verlassen des Stadtgebietes aus willkürlichen Gründen verweigert wurde. Deshalb hatte der Richter am Ende dem Antrag meiner Rechtsanwältin stattgegeben, den Leiter der Wolfsburger Ausländerbehörde Werner Pils als Zeugen vorzuladen. Ich verspreche mir zwar nichts mehr von dem Prozess an sich, denn Herr Rathke schien schon vor Beginn des Prozesses entschlossen zu sein, mich zu verurteilen, so sollte es für die Öffentlichkeit doch von hohem Interesse sein, mit welcher Begründung Herr Pils mir das Verlassen der Stadt Wolfsburg verboten hat. Darin wird sich nicht nur die Verletzung meiner persönlichen Grundrechte deutlich machen, sondern es offenbart sich, wie die Behörden das Elend der Flüchtlinge in diesem Land potenzieren.

GERICHTSVERHANDLUNG - ERSTER TEIL
Nachdem alle Versuche fehlschlugen eine Erlaubnis zu erhalten, um an den Vorbereitungstreffen für den Internationalen Flüchtlingskongress und dem Kongress selbst (20. April - 1. Mai 2000) teilzunehmen, hatte ich keine andere Alternative als ohne Erlaubnis der Stadt Wolfsburg daran teilzunehmen. Im Verlauf der Vorbereitungen wurde ich außerhalb meines Landkreises kontrolliert. Ich wurde ebenso bei den Demonstrationen gegen den Staatsbesuch des iranischen Präsidenten Khatami in Weimar kontrolliert,an denen ich zusammen mit anderen Mitgliedern von "The VOICE" und der "Karawane" am 12. Juli 2000 teilgenommen hatte.

Für diese Kontrollen wurde mir eine Geldstrafe in Höhe von 300,- DM oder 30 Tage Gefängnis auferlegt. Ich verweigerte die Zahlung und focht sie vor Gericht an. Die Anhörung, die am 6. Februar 2001 im Amtsgericht Wolfsburg stattfand, endete damit, dass die Forderung mir gegenüber fallengelassen wurde; der Prozess war von überwältigender öffentlicher Unterstützung begleitet. Wohl aus Angst vor weiteren öffentlichen Demütigungen wureden alle anderen Residenzpflichtverfahren eingestellt.

Als ich 2001 offiziell nach Bremen umzog, entschloss sich die Staatsanwaltschaft die Verfahren wieder zu eröffnen. Ich sollte einen Tagessatz von 7.50 ? für 30 Tage zahlen. Ich verweigerte wieder die Zahlung und formulierte meine Bereitschaft, wieder vor Gericht zu gehen, neu. In den letzten zwei Jahren hat der Richter eine landesweite Befragung aller Polizisten betrieben, die mich jemals in diesem Land bei Verstößen gegen die Residenzpflicht kontrolliert haben. Dies bringt uns zum zweiten Teil der Gerichtsverhandlung am Mittwoch.

HINTERGRUND
Ich möchte daran erinnern, dass ich mich seit meiner Unterbringung in Wolfsburg im November 1998 stets bei der zuständigen Ausländerbehörde um eine Erlaubnis bemüht habe, bevor ich die Stadt aus welchem Grund auch immer verlassen wollte. Und fairerweise muss man sagen, dass die Ausländerbehörde mir die ersten Male Genehmigungen erteilte. Sobald die Behörden jedoch Kenntnis darüber erlangten, dass ich als Mitglied von The VOICE und der Karawane politisch sehr engagiert war, beschlossen sie, mir von nun an, keinerlei Genehmigungen mehr zum Verlassen des Landkreises Wolfsburg zu erteilen, um so meine Teilnahme an jeglichen politischen Aktivitäten zu beschränken. Ihre Begründung dabei war, dass ich als in Wolfsburg lebender Flüchtling nicht das Recht hätte, mich an politischen Aktivitäten in Deutschland zu beteiligen, insbesondere wenn es dabei um das Wohlbefinden und die Situation von Flüchtlingen ging. Ihnen zufolge würde ich gegen die Regierung des Landes kämpfen, das mich großzügigerweise als Gast aufgenommen hat. Vor diesem Hintergrund war es für mich nicht einmal mehr möglich, Genehmigungen für die Teilnahme an Treffen und Aktivitäten zu erhalten, bei denen es um mein Heimatland Nigeria ging.

Zweimal hatte ich Gelegenheit mit der Bürgermeisterin, Frau Ingrid Ecke, zu sprechen, und brachte diese Angelegenheit zur Sprache. Sie versprach mir, mit den Mitarbeitern der Ausländerbehörde zu reden, doch nichts geschah. Verschiedene Male hatte ich hitzige Debatten mit dem Chef der Ausländerbehörde, Herrn Werner Pils, doch er hielt daran fest, dass ich keinerlei Genehmigungen zum Verlassen von Wolfsburg mehr erhalten würde.

Trotz alledem bat ich während der Vorbereitungstreffen für den Internationalen Flüchtlingskongress in Jena erneut um Genehmigung, die jedoch wiederum abgelehnt wurden. Als Sekretär des Organisationskomitees musste ich aber an den Vorbereitungstreffen teilnehmen. Bei der Rückfahrt von einem dieser Treffen kam die Polizei auf der Strecke zwischen Magdeburg und Braunschweig in den Zug und kontrollierte mich ohne dass ich eine Erlaubnis zum Verlassen meines Landkreises vorzeigen konnte. Im Rahmen der Vorbereitungen für den Kongress schrieb ich viele Einladungen für unsere internationalen Gäste aus anderen Teilen Europas und der ganzen Welt, einschließlich eines Gastes aus Kanada, der aufgrund der Einladung ein Visum erhielt und zum Kongress kam. In der Zwischenzeit wurde mir sogar für die Teilnahme an dem Kongress eine Genehmigung verweigert - trotz der Fürsprache der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Frau Marieluise Beck und trotz meines Einspruchs bei Gericht.

Wie viele andere Flüchtlinge, denen die Erlaubnis zur Teilnahme an diesem internationalen Flüchtlingskongress verweigert worden war, entschloss auch ich mich zu zivilem Ungehorsam, um diesem unmenschlichen und erniedrigenden Gesetz zu trotzen, welches eine schwerwiegende Verletzung unserer Menschenrechte und eine klare Diskriminierung von Flüchtlingen darstellt. Seitdem fanden verschiedene Aktionen statt und einige von uns, wie z.B. Herr Cornelius Yufanyi (ebenfalls Mitglied von The VOICE) standen deshalb bereits vor dem Gericht. Ich rufe alle fortschrittlichen Personen, Unterstützer/innen und Aktivist/innen auf, der Anhörung beizuwohnen. Zeitgleich ist eine Kundgebung draußen vor dem Gerichtsgebäude während und nach der Anhörung geplant.

Sunny Omwenyeke

Was ist die "Residenzpflicht" für Flüchtlinge?
Flüchtlinge in Deutschland dürfen sich nach einer Bestimmung des Asylverfahrensgesetzes nicht frei bewegen. Ihre Bewegungsfreiheit ist auf den Landkreis beschränkt, in dem ihre Unterkunft gelegen ist. Nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Ausländerbehörde dürfen sie ihren Landkreis verlassen. Diese Erlaubnisse werden ihnen jedoch fast regelmäßig verweigert. So kann es sein das Flüchtlinge oft jahrelang in einem äußerst kleinen Gebiet einsperrt sind. Die Residenzpflicht für Flüchtlinge existiert in keinem anderen Land in Europa.

Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen in Bremen
Bernhardtstrasse 10-12, 28203 Bremen, Fon: 0421-7901309,
mail@basicrights.de, www.basicrights.de, 0179-4850098.



Weitere Informationen:

  • Bericht über die Gerichtsverhandlung am 1. 10. 2003 in der taz
  • Erste Gerichtsverhandlung gegen Sunny Omwenyeke am 6. Februar 2001 in Wolfburg
  • Erfolg: Residenzpflichtverfahren gegen Sunny Omwenyeke auf der Verhandlung am 6. Februar 2001 eingestellt
  • Urteil im Residenzpflichtverfahren gegen Cornelius Yufanyi (Videos)
  • Telefoninterview mit Cornelius Yufanyi und Kurzvideo: Hintergrund zur Residenzpflicht
  • Webjournal zum Karawane-Kongress in Jena mit ausführlichen Berichten über die Themen des Kongresses
  • Aktionstage gegen die Residenzpflicht vom 17.-19. Mai 2001 auf dem Berliner Schlossplatz

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