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THEMA: Zwangsverlegung
ORT: Jena/Gera
ZEIT: 14. Februar 2002
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv / 3423 \
 

Übersetzung des Interviews mit Constance Etchu

Traudi Pichlmeier: Constance, kannst du uns erzählen, was dir gestern passierte, warum du umverteilt werden solltest, warum du dich weigertest und was gestern morgen passierte?

Constance Etchu: Danke, dass ich die Gelegenheit habe, zu erklären, was mir gestern passierte. Normalerweise, wenn du ein, zwei, drei Monate in Jena Forst bist, wirst du umverteilt, denn Jena Forst ist das Transitlager für alle. Ich sollte also nach Gera umverteilt werden. Ich ging und protestierte, dass ich nicht nach Gera wollte, wegen der vielen Nazis dort. Ich war schon dort gewesen und hatte festgestellt, dass alle dort, vor allem die wenigen Schwarzen dort, nur Französisch sprechen. Mir war klar, dass es keine Kommunikationsmöglichkeit zwischen mir und den Schwarzen dort geben würde. Ich würde dort also sehr einsam sein. Also sagte ich ihnen [der Heimleitung], warum ich nicht nach Gera gehen wolle. Doch Frau Krüger [die Heimleitung] sagte mir, ich müsse nach Gera. Ich flehte sie an, dass man den Ort verändern solle, doch sie verwehrte mir den Wunsch und sagte ich müsse nach Gera gehen.

Am 13. Februar am frühen Morgen um 8 Uhr kam ein Angehöriger des Sicherheitsdienstes und klopfte an meine Tür und sagte, ich solle mich für den Transfer fertig machen. Ich sagte ihm, dass ich die Leute vorher schon informiert hätte, dass ich nicht nach Gera wolle. Er fragte mich, warum und ich gab ihm die Gründe an. Er ging zum Sozialdienst und der Sozialdienst rief nach mir. Ich ging hin, und man gab mir ein Blatt zum Unterschreiben. Ich weigerte mich, weil ich nicht nach Gera wollte. Sie sagten mir ich solle Frau Krüger sehen. Ich ging hin und sie wollte nicht einmal dass ich ihr nahe komme und sie sagte, dass ich nach Gera gehen müsse. Ich verneinte. Ich würde nicht nach Gera gehen.Sie nahm das Papier vom Sicherheitsdienst und sie und der Mann vom Sicherheitsdienst machten die Unterschrift für mich. Sie sagten mir, ich müsse nach Gera gehen. Ich sagte ihnen, dass ich nicht nach Gera gehen würde. Der große Mann vom Sicherheitsdienst informierte mich, dass sie die Polizei rufen würden. Ich sagte ihm, das sei kein Problem.
(...)

Später kam ein Polizist zusammen mit einer Polizistin. Sie stellten mir keine Frage. Ich stand in einer Ecke des Raumes. Die Polizistin war so ärgerlich. Sie stieß mich und sagte (verächtlich): "Afrika!" und ging an mir vorbei.
(...)

Der Polizist und die Polizistin und ein Mann vom Sicherheitsdienst hielten meine Hand nach hinten und legten mir Handschellen an. Sie brachten mich durch das Gitter nach draußen und zwangen mich in das Auto. Sie versuchten mich in den Wagen zu zwingen, doch ich weigerte mich einzusteigen.
Sie realisierten, dass ich sie (unverständlich - die Redaktion) ], denn ich benützte meine Ellbogen, um mich dagegen zu wehren ins Auto einzusteigen. [unverständlich - die Redaktion], und dann ließen sie los. (Sinngemäße Übersetzung:) Ich wehrte mich mit den Ellbogen, ins Auto einzusteigen. Schließlich ließen sie los.

Ich fiel auf den Boden. Ich drohte unter den Wagen zu rutschen. Ich sagte, dass ich lieber sterben wollte als nach Gera zu gehen, ich könne nicht nach Gera. Ich fing an zu weinen. Meine Hände waren noch immer hinten. Der Polizist kam und hielt mich fest. Er fragte mich: Wirst du nach Gera gehen? Ich antwortete, dass ich das nicht werde. Das war der Moment, wo er sein eines Bein auf meinen Magen stellte. Sein Bein stand etwa zwei Minuten auf meinem Bauch, dann nahm er es zurück und stieg damit auf meine Brust. Ich weinte und schrie. Dann nahm eine Sicherheitsbeamtin wahr, dass ich mich hin und her wand und dass ich schrie, dass mich nicht der Mann schlagen, sein Bein nicht auf meine Brust stellen sollte. Sie kam her und stieß mit ihren Beinen mein Gesicht [used her legs on my face] und sagte mir dabei, dass ich nach Gera müsse. Ich schrie immer noch, dass ich nicht nach Gera gehen werde.
(...)

Also trugen sie mich zum Polizeiwagen. Wieder sagten sie, dass ich nach Gera zu gehen hätte und ich verneinte, sagte, dass ich nicht würde. Mein eines Bein war am Rad des Polizeiautos, mein anderes dahinter. Der eine Mann benutzte seine Hände, er schlug meinen Kopf gegen das Polizeiauto. Er fragte mich: Gehst du nach Gera? Ich weigerte mich. Also schlug er jetzt mit seinen Händen meinen Magen. Wegen der Schmerzen beschloss ich, in das Auto zu steigen.
Wir waren kurz davor auf die Bundesstraße einzufahren, als die Polizistin den Polizisten informierte, dass sie mich angurten müsse. Also hielt der Polizist an und die Frau gurtete mich an. Ich bat sie, dass sie mir doch bitte die Handschellen abnehmen solle, da meine Hände schmerzten. Der Polizist war so ärgerlich, warum ich überhaupt den Mund aufmache? Er stieg aus dem Wagen [und kam nach hinten] und nahm ein kleines Ding, wie ein Messer und zerriss damit meinen Pullover. Ich fing an zu schreien: "Ihr wollt mich ja umbringen, was habe ich euch getan?! Ihr wollt mich ja umbringen, was habe ich euch getan?!"

Die Frau war jetzt so ärgerlich, dass sie sich aufrichtete und meinen Nacken nach unten drückte. Sie presste meinen Nacken nach unten, bis wir nach Gera kamen. Sie schrien "Afrika", "Afrika" und lachten dabei. Der Polizist sagte: "Fuck you, fuck you, Afrika." Ich weinte, bis wir nach Gera kamen. Als wir in Gera ankamen, befahlen mir der Polizist und jemand vom Sicherheitsdienst, aus dem Wagen auszusteigen. Aber ich sagte, ich werde nicht aussteigen und blieb sitzen.
(...)

Ich wurde mit Gewalt nach Gera gebracht. Jetzt bin ich dort. Meine Unterschrift wurde gefälscht. Es war nicht meine Unterschrift, durch die ich nach Gera kam und jetzt bin ich in Gera. Ich appelliere wirklich an euch, dass ihr mir helft, dass ich aus Gera rauskomme. Ich bin wirklich traurig in Gera. Ich glaube, ich werde meines Lebens nicht glücklich, es sei, ich komme weg von hier. Und ihr alle wisst, wenn ein Mensch nicht glücklich ist, was dieses Unglück für sein Leben kosten kann. Und ich will wirklich kein Opfer davon werden. Ich appelliere an euch und bitte euch, dass ihr mit mir etwas dafür unternehmt, dass ich in ein anderes Heim komme.

 

Video: Stefan Kretzschmar/Traudi Pichlmeier/Umbruch Bildarchiv

Klicke auf das obenstehende Bild und siehe ein Streaming-Video.
(7'22 Min.) Den dafür benötigten Real Player Basic gibt es hier frei zum downloaden.
Klicke hier, um parallel zum Video die deutsche Übersetzung einzusehen


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