NPD-Aufmarsch in Neubrandenburg
1000 Menschen beteiligten
sich an Protestaktionen
Die Nazis sind marschiert.
Trotz großer Gegenmobilisierung eines breiten Bündnisses aus
Gewerkschaften, Kirchen, politischen Jugendgruppen und Parteien. Trotz
(wiederaufgehobenem) Verbot. Trotz mehrfacher Versuche, ihnen die Straße
nicht zu überlassen und ihnen den Weg durch Neubrandenburg zu versperren.
Für den 14. Juli hatten Vertreter sogenannter Freier Kameradschaften
aus der Umgebung Neubrandenburgs eine Demonstration durch die Stadt angemeldet.
Eine zusätzliche Kungebung sollte ausgerechnet auf einem Parkplatz
vor dem Neubrandenburger AJZ stattfinden. Ein Novum. Der letzte Nazi-Aufmarsch
fand hier kurz nach der Wende statt. Neubrandenburg genießt seit
vielen Jahren den Ruf einer Stadt mit einer überaus bunten Jugend-
und Kulturlandschaft, in der die Farbe braun so gut wie überhaupt
nicht vorkommt. In Zeiten, in denen andere Städte zu Wahlkampfzeiten
in Nazi-Plakaten förmlich zu ersticken drohten, mußte mensch
in NB schon suchen und dabei Glück (oder eher Pech) haben, um ein
solches Exemplar mal zu Gesicht zu bekommen. Daß in NB eher Blumentöpfe
fliegen, als daß Rassisten sie gewinnen könnten, hatte sich
auch bis zur NPD herumgesprochen, und die Nazis machten auf ihren Demotingeltouren
durch so ziemlich alle Städte in M/V für gewöhnlich einen
Bogen um die Vier Tore-Stadt. Ein heißes Pflaster also und so manche
Kameraden, die sich sonst nicht scheuen ins viel weiter entfernte Schwerin
oder Ludwigslust zu reisen wenn dort die Möglichkeit für große
Reden besteht, suchte mensch vergeblich unter den 150 Teilnehmern der
Nazidemo. So war weder was von Axel Möller und seinem Knecht Rupprecht
noch von seinen Greifswalder Paladinen um Spiegelmacher etwas zu sehen.
Mit diesem Hintergrund gab es nicht wenige, die eine reele Chance sahen,
die Nazidemo eventuell verhindern zu können. An Entschlossenheit
mangelte es den NeubrandenburgerInnen eigentlich nicht. Eine Gegendemonstration,
die die gleiche Route wie die Nazis etwas früher nehmen sollte, stoppte
nach einigen Metern und kam zum Stehen. OrdnerInnen versuchten zwar noch
die Leute zum Weitergehen zu bewegen, aber niemand war bereit, den Nazis
die Straße wieder zu überlassen. Und niemand rechnete damit,
daß die Polizei wirklich alle ihr möglichen polizeilichen Maßnahmen
ergreifen würde. Aber sie tat es trotzdem. Ein Räumpanzer und
zwei Wasserwerfer fuhren vor, und als die Blockade nach Aufforderung den
Platz zu verlassen sich nur sehr langsam und widerwillig weiterbewegte
kam das Kommando "Wasser Marsch" und die beiden Wasserwerfer spülten
den Nazis die Strasse frei. Dabei wurden einige Menschen verletzt, die
vom harten Wasserstrahl am Kopf getroffen wurden oder denen das Wasser
die Beine wegriß. Immer wieder drängten Einsatzkräfte
zu Fuß mit gezogenem Knüppel die Menschen von der Straße.
Die Polizei schien die Situation nicht unter Kontrolle zu bekommen und
drängte die Demo in die John-Schehr-Str. ab, wo sie vorzeitig beendet
wurde. Die Nazis warteten derweil auf ihrem Sammelplatz die Räumung
ihrer Strecke durch die Polizei ab und beglückten ihre Umwelt mit
Lautsprecherdurchsagen wie: "Wir sind wieder mal im Recht, weil wer für
sein Volk streitet ist immer im Recht." Mit gut drei Stunden Verspätung
setzte sich der Zug begleitet von massiven Poizeikräften und zwischenzeitlich
bis zu 1000 Gegendemonstranten unter lautstarkem Protest in Bewegung.
Dabei kam es auch immer wieder zu interessanten Wortgefechten von einer
Seite der Polizeikette zur anderen. "Vor 60 Jahren hätte ich mich
mit sowas wie Dir jedenfalls nicht rumzuärgern brauchen" rief ein
Nazi seinem Gegner auf der anderen Seite zu. Auch die gespielte Musik
war recht aufschlußreich. "Mit starker Hand ... gegen Lumpenpack"
hieß es da, hilft nur der "Knüppel aus dem Sack" und man sollte
doch das "ganze Pack zum Teufel treiben". Überhaupt ist die Terminologie
und Sprache nicht uninteressant. Es spricht nicht ein Kamerad aus Berlin,
sondern es spricht ein Kamerad aus der Reichshauptstadt. Es heißt
auch nicht "Hallo" oder "Guten Tag" sondern "Heil Euch Kameraden". Eine
zwischenzeitliche Sitzblockade in der Külz-Str. konnte zwar den Zug
stoppen, wurde aber nach 4 Minuten (obwohl über Lautsprecher eine
Frist von 10 Minuten eingeräumt wurde) abgedrängt. Die Nazis
erreichten arg bedrängt ihren Kundgebungsort und Christian Worch
(Hamburg) und Lutz Gießen (Germania Berlin) hielten je eine Rede,
von denen aber Dank des Polizeihubschraubers so gut wie nichts zu hören
war.
Auch wenn es die Nazis geschafft haben, ihre Demonstration durchzuführen,
so war es für sie sicher alles andere als ein netter Sonntagsspaziergang,
zu dem Nazidemos in anderen Städten in M/V oft werden. Neubrandenburg
wird auch weiterhin seinen Ruf als Stadt, in die die Nazis nicht so ohne
weiteres einen Fuß gesetzt bekommen, behalten.
Sven Römer (siehe auch likedeeler-online
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