Auch der Vorsitzende
des Kleingartenvereins war gekommen. Er war redlich bemüht seiner
Besorgnis Ausdruck zu verleihen, daß der Name der Gartenanlage nicht
als politisch gemeint missverstanden werde. Die Anlage sei ja nur so benannt
worden, weil die (Togo-) Strasse schon so hieß. Dass die Umbenennung
der ehemals "Zur fröhlichen Rehberge" benannten Gärten
1939 in 'Dauerkolonie Togo e.V.' möglicherweise einen politischen
Hintergrund hatte, war ihm sichtlich unangenehm. Nichtsdestotrotz setzte
sich die kleine aber feine Demo bald in Bewegung und legte unterwegs einige
'Denksteine' ab, um der Opfer der Kolonialisierung zu gedenken und auch
die heutige Situation mit Strassennamen in Verbindung zu bringen, die
offenbar kaum jemandem ein Problem bereiten (siehe Redebeiträge).
Am 27.4. findet gegen die Diktatur in Togo eine bundesweite Demonstration
in Berlin statt.
Folgende Redebeiträge wurden unterwegs gehalten - die Reaktionen
der PassantInnen und AnwohnerInnen variierten erwartungsgemäß
zwischen Ablehnung und freundlichem Interesse:
Im Rahmen der Kampagne
gegen die Diktatur in Togo und die deutsche Abschiebepolitik demonstrieren
wir hier im Afrikanischen Viertel Berlins vor der "Dauerkolonie TOGO
e.V." Nicht nur für togoische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger
ist es äußerst befremdlich, dass Togo, ein seit 1960 offiziell
unabhängiges Land, hier als "Dauerkolonie" bezeichnet wird.
"Dauerkolonie Togo" - wir fordern die Änderung dieses Namens,
der im Zusammenhang mit umliegenden Straßen wie Nachtigalplatz oder
Petersallee nur kolonial verstanden werden kann. Gustav Hermann Nachtigal
war ein Wegbereiter des deutschen Kolonialismus und hisste 1884, vor genau
120 Jahren, in Togo und in Kamerun die deutsche Flagge! Dr. Carl Peters
war ein Psychopath, der durch Betrug Ländereien in Ostafrika erwarb!
*
Die Folgen der Kolonialisierung machen sich noch immer in diesen Ländern
bemerkbar. Die Abhängigkeiten bestehen fort: Europa konsumiert, Afrika
produziert. Afrika baut den Kaffee an, Afrika liefert Gold, Öl, Phosphat
usw. Die Ignoranz gegenüber der kolonialen Vergangenheit setzt sich
fort in der Ignoranz gegenüber der aktuellen Situation togoischer
AsylbewerberInnen und Flüchtlinge in der BRD. Sie sind hier, weil
wir ihre Länder zerstört haben und weiter zerstören! Deutsche
führen noch immer florierende Unternehmen in Togo! Und die vor der
Gewalt der Diktatur Flüchtenden dürfen hier nicht arbeiten,
nicht reisen, nicht sein!?
Wir fordern den Stop aller Abschiebungen nach Togo und in andere Verfolgerstaaten!
Keine Kollaboration mit der Diktatur in Togo! Schließung aller Abschiebeknäste!
Umbenennung kolonialer Namen! Umdenken kolonialer Strukturen!*
Die Militärdiktatur in Togo
ist die älteste Diktatur in Afrika. Diktator Gnassingbé Eyadema
ist auch der dienstälteste Diktator Afrikas.
Anfang Juni 2003 wurde er durch Wahlbetrug für weitere fünf
Jahre im Amt bestätigt. Seit 36 Jahren hält sich der Militärdiktator
durch Terror und brutale Unterdrückung der Bevölkerung an der
Macht. Das Land Togo wurde in dieser Zeit an den Rand des sozialen und
wirtschaftlichen Ruins geführt. Ein Viertel der Staatsausgaben wird
für die Armee ausgegeben. Misswirtschaft und Korruption finden sich
im ganzen Land. 1990 erhob sich die Bevölkerung Togos mit der Forderung
nach Demokratie. Eyadema verübte ein schonungsloses Massaker an der
Bevölkerung. Seitdem wird jede Art von Opposition unterdrückt.
Die Präsidentschaftswahlen vom Juni 2003 schlossen Oppositionspolitiker
von vornherein aus. Obwohl die UNO und die EU wegen der offensichtlichen
Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Wahlen schon
gar nicht erst Wahlbeobachter schickten, hält sich die Kritik seitens
der europäischen Regierungen am Regime in Togo in Grenzen.
Von 1884 bis 1920 war Togo deutsche Kolonie, danach französische
Kolonie. Bis heute wirken koloniale Strukturen fort. Die wichtigste Exportware
Togos ist Phosphor. Die Diktatur ermöglicht den Abbau und die erste
Verarbeitung von Phosphat zu konkurrenzlos günstigen Bedingungen.
Das Interesse europäischer Regierungen und Konzerne an billigen Rohstoffquellen
und billiger Arbeitskraft ist nicht der einzige Aspekt für die Aufrechterhaltung
dieser neokolonialen Ordnung. Togo unter General Eyadema ist einer der
wichtigsten Umschlagplätze von Waffen. Abgeschirmt von störender
Öffentlichkeit werden sie von Togo aus in alle Konfliktzonen Westafrikas
geliefert. Die deutsche Regierung und insbesondere der Außenminister
Fischer kollaborieren mit der Diktatur Eyademas. Das Auswärtige Amt,
dessen oberster Dienstherr Außenminister Joschka Fischer ist, liefert
Falschinformationen in seinen aktuellen Lageberichten an die Verwaltungsgerichte.
Diese Gerichte urteilen über die Abschiebungen. Das Auswärtige
Amt leugnet die Verfolgungs- und Gefahrensituation für oppositionelle
Flüchtlinge aus Togo. Die deutsche Regierung verletzt systematisch
und bewusst die Menschenrechte und liefert Regimegegner in die Hände
ihrer Mörder in Togo aus.
Das Afrikanische Viertel
Wir befinden uns hier im Afrikanischen Viertel in Berlin, in dem 23 Straßennamen
an die koloniale Vergangenheit Deutschlands erinnern. Der Ursprung dieser
Namensgebungen lag in der Kolonialbegeisterung Ende des 19. Jahrhunderts,
die einen ersten Höhepunkt in der Kolonialausstellung 1896 in Berlin
fand. 1899 weihte Kaiser Wilhelm II. persönlich mit großem
Pomp die ersten beiden Straßen ein: Die "Togostraße",
auf der wir gerade gehen, und die "Kameruner Straße" -
15 Jahre nach der Besetzung Togos und Kameruns durch die deutsche Kolonialmacht.
Die meisten Straßen erhielten bis 1914 geographisch orientierte
Namen aus den damaligen deutschen Kolonien. Zum Beispiel die "Otawistraße",
durch die wir soeben gekommen sind. Sie ist nach einer Stadt im damaligen
Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, benannt, die als Endhaltestelle
der kolonialen Eisenbahn große Bedeutung hatte. Andere Straßen
oder Plätze wurden Personen der deutschen Kolonialgeschichte gewidmet,
wie beispielsweise die "Lüderitzstraße", die wir
vor ein paar Minuten passiert haben. Sie ist nach dem Bremer Kaufmann
Adolf Lüderitz benannt. Er finanzierte den ersten betrügerischen
Landkauf, der das Kerngebiet der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika
umschloss. Oder zum Beispiel der "Nachtigalplatz", an den wir
jetzt gleich kommen werden. Dieser Platz ist Gustav Hermann Nachtigal
gewidmet, der Sonderbeauftragter des Deutschen Kaiserreichs war. Er erzwang
die sogenannten Schutzverträge für Togo und Kamerun - teils
durch Betrug, teils durch militärische Mittel, die sogenannte Kanonenbootdiplomatie.
Der Name "Afrikanisches Viertel" geht ursprünglich auf
Pläne des Hamburger Tierparkbesitzers Carl Hagenbeck zurück.
Hagenbeck erregte in dieser Zeit mit seinen Völkerschauen, bei denen
er Menschen aus anderen Kulturen im Zoo ausstellte, großes Aufsehen.
Hier wollte er in der Dünenlandschaft der Rehberge einen exotischen
Park anlegen, in dem er neben afrikanischen Tieren auch afrikanische Menschen
dauerhaft ausstellen wollte. Der Erste Weltkrieg war das Ende dieser Pläne,
der Name blieb. Obwohl dem Deutschen Reich im Versailler Vertrag die Kolonien
aberkannt worden waren, wurden 1927 erneut Straßen des Afrikanischen
Viertels im kolonialen Geist benannt. Es gibt zum Beispiel eine Tangastraße.
Tanga war zu dieser Zeit die wichtigste Hafenstadt für deutsche Farmer
des Usambaragebietes im Osten der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika,
dem heutigen Tansania.
Während des Nationalsozialismus' bekam die Kolonialbewegung neuen
Auftrieb: So wurde 1939 die "Petersallee" eingeweiht. Dr. Carl
Peters, von den Nazis als Kolonialheld gefeiert, hatte durch Gewalt und
Betrug Verträge im Osten Afrikas erpresst und damit den Grundstein
für die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika gelegt. Der Sadismus,
mit dem er afrikanische Menschen behandelte, trug ihm den Spitznamen Hänge-Peters
ein - er pflegte die Menschen hängen zu lassen, die ihm nicht passten.
Ebenfalls 1939 wurde die Kleingartensiedlung in der Mitte des Viertels
umbenannt. Sie erhielt den Namen Togo.
Besonders hier im afrikanischen Viertel tut sich das Problem der Vergangenheitsbewältigung
auf. Schon 1946 gab es erste Bemühungen, Straßen umzubenennen.
Ohne Erfolg! In den 1980er Jahren wurde versucht, der Petersallee einen
neuen Namen zu geben. Zur Auswahl standen Namen afrikanischer Persönlichkeiten
aus Vergangenheit und Gegenwart, z.B. Samuel Maherero oder Nelson Mandela.
Streitigkeiten im Berliner Parlament führten schließlich dazu,
dass aus der Petersallee für Carl Peters 1987 eine Petersallee für
Hans Peters, einen weitgehend unbekannten Stadtverordneten, gemacht wurde.
Bis heute gibt es in Berlin keine Straße und keinen Platz zur Erinnerung
an afrikanische Persönlichkeiten, die für ihre staatliche Unabhängigkeit
oder gegen den deutschen Kolonialismus gekämpft haben.
|