Plastikmeer am Rande Europas - Arbeitsmigration in der industriellen Landwirtschaft
Fotos von Lisa Bolyos und Marco del Pra
'


Zurück Home Weiter
1237k

"Zapatero: Eine Lösung für die Immigration:
hör auf, ihre Länder auszubeuten"

 

Die Zustände in der intensiven Obst- und Gemüseproduktion in Andalusien stellen ein Extrembeispiel für Flexibilisierung und Ausbeutung der Arbeitskräfte dar. Die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sich daraus für die Betroffenen, fast durchwegs MigrantInnen, ergeben, sind keine unfreiwilligen Nebenerscheinungen, sondern fester Bestandteil des heute in Europa und weltweit dominierenden agroindustriellen Modells.

Das Paradigma des "Wachsens oder Weichens" bringt in ganz Europa ähnliche Strukturen hervor, ob auf den Pfirsichplantagen Südfrankreichs, in den holländischen High-Tech-Glashäusern oder auf den Spargel- und Erdbeerfeldern des österreichischen Marchfelds. Um gewinnbringend zu wirtschaften und konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die modernen Agrarunternehmen beim Anbau von arbeitsintensiven Kulturen auf eine große Anzahl von billigen, möglichst rechtlosen Arbeitskräften zurückreifen können.
Massen an Menschen stellen diesen Strukturen ihre Arbeitskraft zur Verfügung, um so vielleicht zu ihrer Chance in der neoliberalen Ökonomie zu kommen. Mit saisonaler oder langfristiger Migration unternehmen sie einen Schritt, um ihre persönliche Lebenssituation und die ihrer Angehörigen zu verbessern. Es handelt sich um aktive Entscheidungen, die hier in die Tat umgesetzt werden.

Von Wahlmöglichkeit kann dennoch nicht die Rede sein. "Eine Lösung für die Immigration: hör auf, ihre Länder auszurauben." - was die Sprayerin oder der Sprayer Sain damit sagen will, können wir nur interpretieren. Fest steht, dass Bewegungsfreiheit nur dann gesichert ist, wenn wir bleiben können, wo wir uns wohl fühlen, und gehen können, wohin wir wollen, ohne dass das eine ökonomisch erzwungen oder das andere politisch verboten wird. Hört auf, ihre Länder auszurauben und: hört auf, eure Länder einzuzäunen.
Die Ablehnung der bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse muss jedoch auch auf anderer als auf makropolitischer Ebene Ausdruck finden: dort, wo GemüseesserInnen ihre Wahl treffen und nachhaltige, regionale und bäuerliche Landwirtschaft fördern oder selbst betreiben. Und wo wir schlussendlich lernen, dass ein kritisches Konsumverhalten nicht zur Gewissensberuhigung werden darf, sondern nur in Kombination mit einer direkten Form der Solidarität mit den Betroffenen des Agrarkapitalismus wirksam werden kann.
Texte von Dieter Behr, Lisa Bolyos und Marco del Pra'