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THEMA: Geschichte Kreuzbergs
ORT: Berlin
ZEIT: 1. Februar 2003
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv/ 4157 \
 

"Geschichte wird gemacht"
Protestbewegung und Stadtsanierung in Kreuzberg SO 36

Unter diesem Titel wird demnächst im Kreuzberg Museum in der Adalbertstraße 95 eine Ausstellung "Bürger/-innen richten ihr Museum ein" zu sehen sein. Auch Bilder von Umbruch sind bei dieser Geschichtsschreibung von unten dabei. Die Eröffnung ist während der 13. Langen Nacht der Museen am 1. Februar 2003 ab 19 Uhr.
Eine schwierige Aufgabe, die sich der "Verein zur Erforschung und Darstellung der Geschichte Kreuzbergs e.V." gestellt hat. Hausbesetzungen und 1. Mai sorgten seit Jahren in Berlin für Wirbel, Diskussion und Auseinandersetzungen. Dennoch: Trotz aller Streitereien untereinander, am 1. Mai sind alle auf der Strasse. Polizeipräsidenten und Innensenatoren gehen - der 1. Mai bleibt.
Wir wünschen uns, daß die Ausstellung keinen einseitigen Stempel verpasst bekommt. Viel Spaß bei der Eröffnungsveranstaltung, auf der ab 19.30 Uhr auch der beliebte Kreuzberger Frauenchor "Judiths Krise" auftreten wird.

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Fotos: Umbruch-Bildarchiv
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Aus Anlaß der Ausstellung zeigen wir hier Umbruch-Bilder aus einer mittlerweise vergriffenen Broschüre über den 1. Mai 1987 - 1992. Statt Peter Strieder sollen uns Knofo (Mitbegründer der Bewegung 2. Juni) und ETA (Ex-Totengräber, Archivar im Havemann-Institut) das Geleitwort geben. Der Text entstand kurz nach dem 1. Mai 1987. Wie alles anfing...


FALCKE, WALDE UND BOLLE


Falckenstein zählt mühelos den Rest seiner Sozialhilfe und legt sich aufs Bett. Er gönnt sich nachmittags öfter ein Nickerchen, seit sein Versuch gescheitert ist, als selbstständiger Jungunternehmer ein Versicherungsgeschäft für abgefahrene Autotüren zu betreiben. Er schläft ein und träumt, er liege in der Sonne hinter einer Bananenstaude, vor der ein Nashorn tanzt. Von Ferne naht der Lärm eines Gemetzels aus den Bauernkriegen. Falckenstein wälzt sich unruhig hin und her, will aufwachen, schläft aber augenblicklich wieder ein. Er hört es krachen, splittern, schreien. Flackernde Blaulichter in dicht aufsteigendem Nebel, der schweflig schmeckt und in den Augen brennt. Hustend kommt Falckenstein zu sich, springt auf und schlägt das Fenster zu. Auf dem Lausitzer Platz vor seinem Haus ist die Hölle los.

Waldemars Hamster fällt aus dem Fenster. Nicht ohne Eleganz federt er auf der Markise des türkischen Gemüsehändlers ab, dreht sich zweimal in der Luft und landet in den Pfirsichen. Waldemar verfolgt den Flug des Hamsters ohne Panik. Als letzterer die Aprikosen verläßt, um das Weite zu suchen, erhebt sich Waldemar von seinem Platz. Der Hamster war nicht das erste Mal aus dem Fenster gefallen. Als Waldemar endlich auf die Straße tritt, ist die nicht wiederzuerkennen. Auf Gehwegen und Fahrbahnen ballen sich die Leute in großen Haufen. Überall liegen Pflastersteine und Bierflaschen und umgekippte Bauwagen und alles Mögliche. In Richtung Lausitzer Platz Ialüt es pausenlos. Es ist noch heller Tag, es ist unglaublich, und es riecht tränentreibend brenzlig in der Luft. Das Straßenfest ist diesmal aber fix zu Ende, konstatiert Waldemar, der seit 1941 in der Wiener Straße gegenüber der Feuchten Welle wohnt. Er holt sich Helm und Spazierstock und macht sich auf die Suche nach seinem Haustier.

Falckenstein gesellt sich zu allerlei Volk, daß sich vor einem brennenden Bauwagen versammelt hat. Irgendwer schenkt ihm Bier und Zigaretten. Seinen sonstigen Gewohnheiten zum Trotz unterhält er sich ausgelassen mit wildfremden Leuten. Ein alter Knacker mit Sturzhelm (Cromwell Halbschale) gestikuliert mit einem weißen Stock und fragt nach seinem ihm entfallenen Hamster. Jemand haut dem Alten auf die Schulter: "Eij mann, hamstan hieß et fünfunvürzich, heute heeßt et plündan! Willste'n Schluck Sekt? Heute kann ick nehmlich ooch ma een ausjehm, halt die ran!" Aber der Alte schüttelt den Kopf und geht weiter. Falckenstein ist in aufgekratzter Stimmung und setzt seinen Streifzug durchs Viertel fort.

Bolle brennt. Erst nur ein bißchen und ganz hinten drin. Einkaufswagen voller Lebensmittel, Spirituosen und Pampers werden auf die Straße geschoben und unter die Leute verteilt, oder irgendwo in Sicherheit gebracht. Weit und breit keine Legalität mehr. Nur noch Volk, das sich amüsiert. Wenn es einen Preis für die schönste Kreuzung dieser erstaunlichen Nacht geben würde, denkt Waldemar, dann verdient ihn die vor seiner Haustür. Mehr als ein Dutzend Barrikaden schützen das Treiben auf dem Platz. Daimler & Enten brennen vereint. Auf zwei riesigen Scheiterhaufen unter der Hochbahnbrücke geht die Inneneinrichtung von Bolle in Rauch auf. Drum herum tanzt die berühmte Kreuzberger Mischung. Auffallend ist nur, daß entschieden weniger Hunde als sonst unterwegs sind.

Vor der Feuerwache in der Wiener Straße hat sich Volk um einen großen Mann in blauer Uniform versammelt. Waldemar schlendert näher und lauscht der Diskussion. Es geht um die Bewohner der neben Bolle gelegenen Häuser, die in einem ebenso dramatischen wie lächerlichen Einsatz versuchen, die Brandmauern per Trittleiter und Gartenschlauch zu kühlen, weil die Feuerwehr nicht herankommt an den mittlerweile recht kräftig brennenden eingeschossigen Kasten, dessen letzte Waren längst auf der Kreuzung verteilt worden sind. Der umringte Oberbrandbekämpfer erklärt den Leuten souverän, daß keine Gefahr für die angrenzenden Häuser besteht: "In den modernen Betondingern, ja, da hätte ick och Schiß, aba zu eure Häuser könnta Vertrauen ham, wenn die früa ne Brandmaua jebaut ham, dann ham se och Brandmauer jemeint. Bei euch wern noch nich ma die Tapeten warm."

Waldemar kehrt zur Kreuzung zurück und stellt mit einer Mischung aus Bestürzung und Hingerissenheit fest, daß er beinahe bereit ist, sich in das bacchantische Treiben vor dem großen brennenden Verteilerkasten zu stürzen. Die Decke von Bolle ist durchgebrannt und stürzt funkenstiebend ein, vom frenetischen Beifall der Festgesellschaft begleitet. Das ununterbrochene Trommeln und Klopfen auf allem, was irgendwie Laut gibt, läßt Waldemars Fantasie davonfliegen. Ein junges Mädchen, in der er trotz Maskierung unschwer die Verkäuferin des Bäckerladens erkennt, tanzt an Waldemar vorbei und läßt ihn völlig die Fassung verlieren.
Knofo (Mitbegründer der Bewegung 2. Juni) und ETA (Ex-Totengräber, Archivar im Havemann-Institut)


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