Nur 300 Einsatzkräfte
benötigte die Berliner Polizei heute für die Beschlagnahmung
zweier Räume in der Scharni 29 als Amtshilfe für einen Gerichtsvollzieher.
Angesichts hunderter Luftballons, durch die sich die Beamten mühsam
ihren Weg bahnen mußten, ein gewagtes Einsatzkonzept. Hier
erste Bilder des entschlossenen Einsatzes gegen Menschenblockaden
und hinterhältige Ballonattacken.
Presseerklärung
der Scharni29 zur Räumung
Mehr als 200 Personen solidarisierten sich, indem sie an einer angemeldeten
Kundgebung in Sichtweite des Projektes teilnahmen und die sich an die
Kundgebung anschließende Räumung durch Sprechchöre begleiteten.
Die TeilnehmerInnen der Kundgebung wurden jedoch von der Polizei daran
gehindert, sich dem Haus auch nur zu nähern. Die Personen, die
nicht an der Kundgebung teilgenommen hatten und sich stattdessen vor
dem Haus befunden hatten, haben spontan die Tür mit einer friedlichen
Sitzblockade versperrt. Die Polizei hingegen reagierte mit Platzverweisen,
Personalienfeststellungen und sogar Festnahmen.
Die Personen, die sich zum Zeitpunkt des Eintreffens des Gerichtsvollziehers,
in den Räumen aufgehalten hatten, verließen freiwillig das
Gebäude. Unsere eigentliche Stärke sind unsere kreativen
Ideen und der gute Zusammenhalt sagt ein Aktivist und deutet auf
die Verbindung durch eine massive Pyramide, an die sich er und eine
weitere Aktivistin gekettet haben. Das ist ein Gruß aus
dem Wendland erwidert sie.
Während die Polizei sich durch Barrikaden von insgesamt mehr als
10.000 Luftballons kämpfen musste, um die Räumlichkeiten zu
betreten, ließen die BewohnerInnen des Hauses heliumgefüllte
Luftballons aus den einzelnen Stockwerken steigen. Die Ballons trugen
einen Aufruf zum Zusammenschluß der Mieter von Immobilien des
Groß-Eigentümers Padovicz mit sich. Um sich künftig
besser gegen ungerechtfertigte Nebenkostenabrechnungen, Abmahnungen
und Kündigungen wehren zu können, suchen die BewohnerInnen
der Scharnweberstraße den Erfahrungsaustausch mit anderen Padovicz-MieterInnen.
Wie bei der Liebigstraße 14 handelt es sich bei der Scharnweberstr.
29 um ein ehemals besetztes Haus, für das die BewohnerInnen bereits
kurz nach der Besetzung Wohnungsmietverträge erhielten. Obwohl
die BewohnerInnen Kaufinteresse angemeldet hatten, wurde das Haus seitens
der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WBF an einen Privatinvestor verkauft.
2006/2007 wurde das Haus saniert. Nach der Sanierung des Hauses wurde
das Erdgeschoss an einen von den HausbewohnerInnen gegründeten
Verein vermietet.
Neben dem verlängerten Wohnzimmer der Hausgemeinschaft, in dem
die BewohnerInnen neben Parties zu Filmvorführungen und politischen
Erörterungen einluden, beherbergte das Erdgeschoss den ehrenamtlich
organisierten Schenkladen. Hier konnten Menschen Dinge, die ihnen zu
schade zum wegwerfen waren abgeben, die dann von anderen unendgeltlich
mitgenommen werden konnten. Um das Projekt am Leben zu erhalten, war
der Schenkladen am vergangenen Samstag von einem Demonstrationszug begleitet,
in ein benachbartes Projekt umgezogen, in dem er kurzfristig Asyl erhielt
und im April neu eröffnen wird.
Der Eigentümer hatte die Räume in der Scharnweberstr. gekündigt
und den MieterInnen eine kommerzielle Nutzung vorgeworfen. Obwohl die
Berufung vor dem Landgericht noch nicht verhandelt wurde, bestand der
Eigentümer auf die Durchsetzung der sofortigen Räumung. Der
Bezirksbürgermeister setzte sich für ein Gespräch zwischen
Eigentümer und MieterInnen ein. Der Eigentümer hatte jedoch
erklärt, sich erst nach der Räumung zu einem Gespräch
in der Lage zu sehen.
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