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Proteste gegen Naziaufmarsch in DemminÜber 500 Menschen
haben sich am 8. Mai knapp 250 Neonazis in den Weg gestellt. Mit einem
historischen Stadtrundgang und zwei Sitzblockaden sowie einem Friedensfest
am Hafen äußerten sie ihren Protest und versuchten den Neonaziaufmarsch
zu behindern. Anstatt den Geschichtsverdrehern wenigstens den Weg hinunter
zum Hafen zu versagen, was angesichts der angemeldeten Veranstaltungen
und der Blockaden durchaus möglich gewesen wäre, hatte sich
die Polizei entschieden, den Nazis eine Ersatzroute direkt vorbei an einer
Sitzblockade zu verschaffen. Auch wenn das große Ziel nicht erreicht
wurde: Noch nie waren so viele Menschen beim Protest gegen den Naziaufmarsch
in Demmin wie in diesem Jahr. Im Vorfeld, lange bevor die Neonazis sich
überhaupt zu sammeln begannen, wurden anreisende Busse durch die
Polizei kontrolliert. Auch hier, etwa 200
Meter von der anderen Blockade entfernt, haben die Menschen Platz genommen.
Etwa 50 Menschen sitzen hier, nocheinmal doppelt soviele stehen herum.
Als sich die Blockierenden setzen wollten, sei die Polizei rabiat gegen
sie vorgegangen, auch der Einsatzleiter selbst soll sich mit Tritten und
Schlägen hervorgetan haben, berichteten Aktivist_innen. Mindestens
ein Beamter der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), deren Mitglieder
zum Teil vermummt an den Blockaden und an der Nazidemo herumliefen, bedrängte
Journalisten. Die Stimmung ist dennoch gut. Es ist eine bunte Mischung
aus Antifas und Bürger_innen die hier sitzt. Mit Torsten Koplin und
Mignon Schwenke sind auch zwei Landtagsabgeordnete der Linken anwesend.
Die Polizei hat die Blockade umstellt und lässt niemanden mehr hinaus. Kurz vor 21 Uhr wird klar, dass die Nazis auf einer Alternativroute unterwegs sind. Das Gerücht macht die Runde, sie würden unten an den Peenespeichern entlang geleitet, genau dort entlang wo eigentlich das Friedensfest stattfinden soll. Plötzlich taucht ein Helikopter der Polizei auf und es wird klar, dass die Nazis dicht dran sein müssen. Einsatzwagen werden umgeparkt, Einsatzgruppen verlegt. Der Aufzug wird dann von der Polizei seitlich an der oberen Blockade in die Peenestraße vorbeigeleitet. Unter lautstarken Sprechchören, Trillerpfeifen und Megaphonsirenen passieren die schweigenden Nazis den Protest. Auch hier fallen wieder Beamte auf, die versuchen Leuten, die zum Schutz vor filmenden Nazis ins Gesicht gezogenen Tücher, herunterzuziehen. The same procedure as every year mit Hitler-Zitat Knapp 250 Nazis sind in diesem Jahr nach Demmin gekommen, etwas mehr als im letzten Jahr. Angesichts eines fehlenden eigenen 1. Mai-Aufmarsches und dem folgenden Feiertag war dies zu erwarten. Dass es dennoch nur eine leichte Steigerung zum Vorjahr gab zeigt, dass das Mobilisierungspotential der Szene stagniert. Am Rande der Demonstration, die im lockeren Spalier von vermummten und behelmten Polizisten begleitet wurde, ging der Ordnerdienst der NPD immer wieder gegen Pressevertreter und Kameraleute vor. Dabei ist nach Aussage eines Journalisten eine Entwicklung festzustellen: Verstärkt spielen sich die Mitglieder des Ordnerdienstes, darunter altgediente Kameraden wie Frank Klawitter oder Michael Gielnik, als Ordnungskräfte auf, und versuchen Pressevertreter aus der Demo anzugreifen, zu verscheuchen und Equipment zu beschädigen. Im Schutze der Dunkelheit, wie bei Demos in Demmin oder Wolgast, verstärkt sich diese Aggressivität noch. In Mecklenburg-Vorpommern ist darüber hinaus beim Ordnerdienst eine weitreichende Überschneidung mit ehemaligen Kadern der verbotenen HDJ festzustellen. Vor dem eigentlichen Demozug lief die mittlerweile für Demmin typische, für Beobachter_innen etwas absurd anmutende, Straßentheatertruppe. Wie bereits im letzten Jahr wollten die zerlumpten Gestalten einen Flüchtlingstreck und verwundete Soldaten darstellen. Hinter dem folgenden Fronttransparent lief die Parteispitze mit Udo Pastörs und Stefan Köster. Auch die Abgeordneten Michael Andrejewski und David Petereit waren mit von der Partie, ebenso wie der Vorsitzende der NPD-Kreistagsfraktion Mecklenburgische Seenplatte, Hannes Welchar. Als die Nazis die
Straße Richtung Peeneufer herunterlaufen, schallt ihnen Musik von
einer Bühne entgegen, die eigens aufgebaut wurde, um die Nazis zu
ärgern. Der NPD-Ordnerdienst reckt die Hälse und aus den Boxen
ertönt ein konstruktiver Vorschlag wohin es nun weitergehen könnte:
Im on a highway to hell. Zwanzig Minuten später
ist der ganze Aufzug in der hintersten Ecke des Demminer Hafens angelangt
und aufgestellt. Drei bis vier Reihen von Polizeifahrzeugen sind aufgestellt
worden, um mehrere 100 Demminer Bürger_innen abzuschirmen, die gegen
den braunen Spuk anbrüllen. Jede direkte Sicht auf die Nazis ist
aber versperrt. Schüler_innen pusten Luftballons auf und werfen sie
in die Peene, in welche die Geschichtsverdreher später die Kränze
werfen wollen. Auf dem benachbarten Friedensfest treffen verschiedene Protestkulturen aufeinander. Die Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre stehen neben Schüler_innen, Familien mit Kleinkindern neben Bezugsgruppen autonomer Antifas. Aus den Boxen dröhnt weiter AC/DC. Gerade viele der Einheimischen fangen erst hier an richtig aufzudrehen. Die Stimmung derer die heute blockieren wollten und blockiert haben ist aber nicht mehr so gut. Nachdem die Nazis auf dem gleichen Weg wie sie gekommen waren wieder an der Blockade vorbeigezogen waren, macht jemand seiner Wut per Megaphon Luft. An die Polizei gerichtet, die die Protestierenden wiederholt bittet noch 20 Minuten Geduld zu haben bevor sie gehen können, ruft er: Ihr habt hier heute einen Scheißjob gemacht! Ihr müsst das euren Kindern erklären! Ihr habt auch einen Job in diesem System, und den habt ihr heute verkackt! Am Abend teilt die Polizei in ihrer Pressemitteilung zum Einsatz mit, dass auf einem Parkplatz, auf dem auch Autos von Nazis geparkt waren, mehrere PKW beschädigt wurden. Bewertung Auf Seiten der Blockierer macht sich zurecht Enttäuschung darüber breit, dass der Naziaufmarsch, bzw. zumindest der Kranzabwurf nicht verhindert wurde. So konnten die Nazis weitgehend ungestört durch die Hansestadt ziehen. Doch es zeigte sich auch am 8. Mai in Demmin: Den Nazi-Gegnern gelingt es immer stärker zu mobilisieren. Wenn auch das Ergebnis noch nicht zufriedenstellend sein kann, waren die Proteste politisch ein Erfolg. Es haben sich viele Menschen aus unterschiedlichsten Spektren an den Protesten beteiligt. Der Naziaufmarsch wird Demmin noch eine Weile erhalten bleiben. Linksradikale und Zivilgesellschaft aber sitzen miteinander an einem Tisch. Ein Vertreter von Greifswald Nazifrei schätzte ein: Gut war, dass so viele vor allem auch lokale Menschen vor Ort waren. Dies war in den letzten Jahren bereits so, aber es hat sich auch noch ein wenig gesteigert und das ist schön. Auch von der Mobilisierung der Auswärtigen war dieses Jahr eine neue Wegmarke, denn soviele Menschen haben noch nie in Demmin aktiv gegen den Aufmarsch der Nazis demonstriert, blockiert oder angeschriehen. Allerdings ließe sich da sicherlich an einigen Stellen noch mehr rausholen. Sehr viel mehr Menschen, als die die heute protestiert haben sind gegen die Geschichtsverdrehung der Nazis. Das langsame Zusammenwachsen von lokaler und routinierter Blockierer-Protestkultur der Angereisten ist ein gutes Zeichen, aber auf diesem Wege kann in Zukunft noch viel mehr geschafft werden. Viele Bürger_innen aus Demmin konnten allerdings in diesem Jahr sehen, dass an den Schreckgespenstern und Nebelkerzen von autonomen Steineschmeißern und Brandlegern nichts dran ist. Wenn ein Aktionskonsens verabschiedet wird und dieser besagt, dass von den Bockierer_innen keine Eskalation ausgeht, dann versuchen sich alle daran zu halten. Das ist ja der Sinn eines solchen Konsens. Und das konnten die Menschen in Demmin auch erleben. Dass es dennoch immer wieder unnötige und unschöne Szenen gibt, liegt dann nicht an denen, die sich den Nazis in den Weg setzen. Das müssen übereifrige Polizisten_innen verantworten, die nur zu gerne den Knüppel gegen Nazigegner_innen schwingen. - Bericht: Kombinat Fortschritt - |
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