Keine
Abschiebungen nach Afghanistan!
Für einen
Abschiebestopp nach Afghanistan demonstrierten am 10. Dezember 2016 mehr
als 1.500 Menschen in Berlin. Zu der Demonstration hatte ein Bündnis
von Flüchtlingsorganisationen anlässlich des Tags der Menschenrechte
aufgerufen. Die Situation von afghanischen Geflüchteten in Deutschland
hat sich dramatisch verschlechtert, seitdem die Bundesregierung im Oktober
mit der afghanischen Regierung ein Abschiebeabkommen
vereinbart hat.
Im Aufruf
zur Demonstration heißt es: "Afghanistan ist alles andere als
sicher. Seit mehr als drei Jahrzehnten sind Menschen auf der Flucht vor
Terror und Krieg. Der nun seit fast vier Jahrzehnten andauernde Krieg
in Afghanistan hat 6 Millionen Menschen weltweit in die Flucht getrieben,
und 2015 mehr als 200.000 Menschen nach Europa. Damit gehören Afghan*innen
zur zweitgrößten Gruppe Asylsuchender in der Europäischen
Union. Der Abzug internationaler Truppen und der damit verbundene wachsende
Einfluss der Taliban sowie der Eintritt der IS (Islamischer Staat) machen
Afghanistan zu einem der unsichersten Flecken auf der Erde. Die Situation
verschärft sich durch die Unfähigkeit der langsam zerfallenden
Einheitsregierung adäquat auf die politischen, ökonomischen
und gesellschaftlichen Herausforderungen zu reagieren. Der größte
Anteil der Geflüchteten sind Angehörige religiöser und
ethnischer Minderheiten, Frauen und Kinder. Allein die Ereignisse der
vergangenen sechs Monate sind ein Zeugnis dafür, dass Afghanistan
alles andere als ein sicheres Herkunftsland ist.
- Im Juli starben
mehr als hundert friedlich demonstrierende Menschen durch einen Bombenanschlag
in der Hauptstadt Kabul.
- Im September wurden
zum wiederholten Male unschuldige Zivilist*innen in der Provinz Wardak
durch die IS-Miliz entführt und enthauptet. Im selben Monat eroberte
die Talibanbewegung zum zweiten Mal in diesem Jahr die einst durch die
deutsche Bundeswehr mitverwaltete und sichergestellte Provinz Kunduz.
Zehntausende Menschen wurden innerhalb ihres Landes vertrieben.
- Im Oktober während
des Aschurafestes starben hunderte Angehörige der schiitischen
Glaubensrichtung bei aufeinanderfolgenden Terroranschlägen in Kabul
und Masar-I-Sharif.
- Im November kam
es landesweit zu vermehrten Entführungen unschuldiger Zivilist*innen.
In der Provinz Faryab wurde ein junges Paar außergerichtlich zum
Tode verurteilt. Bei einem terroristischen Bombenanschlag auf das deutsche
Konsulat in Masar-I-Sharif kamen sechs Menschen ums Leben, über
hundert wurden schwer verletzt. 27 Menschen fielen einem Anschlag auf
eine Moschee in Kabul zum Opfer, dutzende schwer verletzt.
Und dies ist nur der
kleine Bruchteil an Informationen, der es in die europäischen Medien
geschafft hat. Allein in den letzten neun Monaten wurden über 2.500
Menschen durch unzählige Anschläge und außergerichtliche
Entscheide getötet. Gleichzeitig wächst täglich die Gefahr
des Ausbruchs eines ethnischen und sektiererischen Bürgerkriegs.
Terroristen, wie Taliban und IS, gewinnen dramatisch schnell an territorialem
Einfluss, während die afghanische Regierung zusammenbricht. Inzwischen
kontrollieren Taliban und der IS mehr als die Hälfte aller Provinzen.
Durch die steigende Zahl an Terroranschlägen und Kriminalität
durchleben die Menschen in der Hauptstadt Kabul eine fortwährende
Angst um das eigene Leben und das ihrer Angehörigen. Die afghanische
Wirtschaft ist gekennzeichnet durch die anhaltende und stets wachsende
Kriegs- und Kriminalitätsökonomie, in der Talban, der IS, Drogenbarone
und Schmuggler als die lukrativsten Arbeitgeber gelten.
Afghanistan kann weder für Einheimische noch für Auslandsvertretungen
und NGOs als sicher gelten. Eine Abschiebung nach Afghanistan bedeutet
das Todesurteil für Frauen, Kinder und ältere Menschen, und
für Männer die Zwangsrekrutierung entweder für Taliban,
den IS oder die syrische Armee zu kämpfen (vor allem im Iran werden
afghanische Männer gezwungen für das Assad-Regime zu kämpfen).
Mit dem im Oktober unterzeichneten EU-Afghanistan-Abkommen wird die Weiterbewilligung
von Hilfsgeldern an eine Wiederaufnahme der Flüchtlinge durch die
afghanische Regierung geknüpft. Diese unmenschliche Art der Erpressung
seitens der EU widerspricht allen humanistischen und demokratischen europäischen
Idealen.
Wir erklären mit gemeinsamer Stimme...
1. das EU-Afghanistan Abkommen als menschenrechtswidrig;
2. die Abschiebung junger Männer als einen Zwang in den Kriegsdienst
in Afghanistan oder in Syrien;
3. die afghanische Regierung als unfähig, die Grundbedürfnisse
von 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen und zehntausenden Rückkehrer*innen
aus Pakistan, dem Iran und Europa zu decken;
4. die wenigen sogenannten sicheren Regionen in Afghanistan zu isolierten
Gefängnissen, deren Zufahrtswege und Nachbarregionen Schauplätze
von Entführungen und Terroranschlägen sind.
... und fordern...
1. den sofortigen europaweiten Abschiebestopp nach Afghanistan;
2. das sofortige Einstellen des medialen und institutionellen Psychoterrors
mit der ständigen Androhung einer Abschiebung gegen Menschen, die
seit fast vier Jahrzehnten auf der Flucht vor Krieg und Terror sind;
3. die sofortige Aufnahme afghanischer Menschen in Integrations- und Partizipationsmaßnahmen.
Solidarität mit allen afghanischen Geflüchteten! Abschiebungen
stoppen!
Trotz massiver
Kritik und Proteste beginnen wenige Tage später die umstrittenen
Sammelabschiebungen. Am 14. Dezember startet in Frankfurt eine
Chartermaschine mit 50 Afghan*innen nach Kabul.
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