Ein
Bericht von Henner Knorr über die ersten Tage der Karawanetour
Samstag 17.8. Bremen: Eine begeisternde gewaltige Demonstration (siehe
Photos) bewegte sich in drückender Hitze vom Hauptbahnhof durch die
Innenstadt zum Kulturzentrum "Schlachthof". Da wir keinen CD-Abspielgerät
organisiert hatten wurde offensichtlich, dass die Karawane noch auf der
Suche nach angemessenen Slogan war, die zu rufen wären. Einige kamen
ganz leicht, wie z.B. "Hoch die internationale Solidarität" und "Stop
Schily's racist law". Andere waren erfrischend: Zum Beispiel der "Abschaffen"
Slogan (Einer ruft:) "Residenzpflicht?" (alle antworten:) "Abschaffen!",
(einer:) "Polizeigewalt?" (alle:)"Abschaffen" usw. In Schlachthof entspannten
sich alle unter schattigen Bäumen, es gab etwas zu essen und danach
ging es in das Dunkel der "Kesselhalle", um das Kulturprogramm mitzuerleben.
Eine iranische, eine türkische und eine kulturell gemischte Gruppe
sowie ein Solo-Künstler aus Hamburg präsentierten ihre Musik
auf hohem Niveau. Auch Sprecher verschiedener Nationen führten in
die Flüchtlingsproblematik ein. Z.B. Herr Gilani (Iran, SPI) konnte
von einem Genossen erzählen, der,wie er ein politischer Gefangener
im Iran gewesen ist, aber in Deutschland 12 Jahre nur in Flüchtlingsunterkünften
verbracht hat. Diese Person ist jetzt wieder akut von Abschiebung bedroht.
Besonders bewegend waren die Reden von zwei Flüchtlingen aus dem
Lager in Bramsche. Dort steht den Behörden frei, Flüchtlingen
die Sozialhilfe von 39 Euro pro Kopf und Monat aus nichtigen Gründen
(z.B. Abwesenheit beim Essen) nicht auszuzahlen. Ein aktuelles Beispiel
ist der Fall einer neunköpfigen Familie, bei der die Mutter schwanger
ist, und an alle Mitglieder KEINE Sozialhilfe gezahlt wird. Ein Flüchtling
sagte "Ich muss noch eins hinzufügen: Wir sind nicht Flüchtlinge,
wir sind Gefangene! Wir sind Gefangene in diesem Lager!"
Sonntag 18.8. Bramsche: Als die Karawane ankam, fand jede Menge UnterstützerInnen
aus der Region aber ein Lager vor, wo fast niemand zu sehen war. Drei
Polizeiwagen. Das Lager ist eine ausgedehnte Flache, die eng mit zweigeschossigen
Billigbauwerken bebaut wurde und umzäunt ist. Links vom Eingangsportal
gibt es eine Lagereigene Polizeiwache, die gut mit Polizeihunden bestückt
ist. Am Ende des Lagers rechts vom Eingang gibt es einen kleinen Spielplatz
für Flüchtlings-Kinder, wenige Meter weiter einen neu errichteten
Doppelzaun und weitere 15 Meter weiter einen ebenfalls umzäunten
Spielplatz für die Kinder des Dorfes. Dieser Maschendrahtzaun enthält
allerdings einen tiefen Schnitt, als ob sich die Kinder nicht einsperren
lassen wollten. Die Taktik der Lagerleitung war, das Lager genau an dem
Tag (18.08), an dem die Karawane kam für Besucher zu schließen.
Offiziell stand es den Flüchtlingen frei, das Lager zu verlassen,
als wir allerdings unsere Demonstration starteten, stellten sich zivile
Lagerbedienstete in eine Reihe vor den Eingang, so dass die Flüchtlinge
sie ähnlich eines Spießrutenlaufes hätten passieren müssen,
um aus dem Lager zu kommen. Die Karawane konnte durch das Spielen von
Live-Musik (Trompete und afrikanische Trommeln) Leute aus dem Lager erreichen,
von denen einige wenige sich immerhin trauten, am Eingangstor mit den
Karawane-Flüchtlingen zu reden. Einige Flüchtlinge, die das
Lager schon verlassen hatten bevor die Demonstration kam, waren bereit,
ein Interview zu geben, wollten aber ihr Gesicht nicht fotografieren lassen.
Die Busse fuhren daraufhin in das Zentrum von Bramsche, wobei die Karawane-Leute
eine kraftvolle Spontan-Demonstration durch die leere Innenstadt veranstalteten.
Sie kamen zu einem Platz wo es etwas zu essen gab. Ärgerlicherweise
versagte das Sound-System, so dass es unmöglich war, alle Reden zu
halten. Danach trennten sich die Busse auf dem Weg nach Bremen, Oldenburg
und Osnabrück. Die Kern-Gruppe setzte ihren Weg nach Oldenburg fort,
wo am Abend eine Kultur-Veranstaltung stattfand.
Montag 20.8. Oldenburg: Morgens demonstrierte die Karawane in Westerstede.
Zwar waren an der Demonstration nur etwa 50 Menschen beteiligt, sie war
aber dennoch beeindruckend, weil die Kleinstadt Westerstede an Demonstrationen
überhaupt nicht gewohnt ist. Dies konnte man an der Reaktion der
Passanten erkennen. Die Demonstration fand vor der Ausländerbehörde
statt, die die "Residenzpflichtverstöße" des Aktivisten Richard
vor Gericht gebracht hat. Zuerst versuchten die Karawane-Leute , hineinzugehen,
wurden aber durch Polizei daran gehindert. Der Leiter des Büros kam
heraus, und nahm die vorbereitete Petition entgegen. Er war nicht fähig
oder willig , diese zu kommentieren . Nachmittags ging die Karawane in
das Stadtzentrum , wo eine Theategruppe die Strasse sperrte und die Papiere
von Passanten kontrollierte, um Residenzpflicht-Verletzungen aufzudecken.
Die Leute reagierten auf diese ‚grundlose' Kontrolle geschockt. Daraufhin
besuchte die Karawane das Parlament. Es war der erste Tag nach Sommerpause.
Einem Aktivisten wurde gestattet, zwei Fragen zu stellen. Zum ersten Mal
in der Geschichte dieses Parlamentes, durften Fragen auf englisch gestellt
werden. Eine Frage war zum Thema Residenzpflicht, die andere über
das Gutschein-System. Danach erlaubte das Parlament zwei weitere Fragen.
Eine betraf die Tatsache , dass es Geschäfte gibt, die auf die Gutscheine
der Flüchtlinge kein Wechselgeld geben. So müssen die Flüchtlinge
immer den ganzen Wert des Gutscheins einlösen, selbst wenn sie nur
eine Kleinigkeit kaufen wollen, da das Geschäft kein Wechselgeld
an Flüchtlinge gibt. Drei Mitglieder der Karawane gaben ein Interview
im örtlichen Offenen Kanal - Fernsehsender.
Dienstag 21.8. Hannover Morgens gab es eine beeindruckende Demonstration
vor dem Abschiebegefängnis in Hannover - Langenhagen. Das Abschiebegefängnis
liegt am Ende der Startbahn des Flughafen. Die Gegend ist unbewohnt. Wohin
man blickt sieht man nur große Felder. Die Demonstration bestand
aus 70-100 Demonstranten verschiedener Kulturen und war schon deshalb
außergewöhnlich kraftvoll. Sie wurde durch eine große
Anzahl von Polizisten umzingelt, einige auf Pferden, einigen auf Fahrrädern,
vielen in Bussen. Im Vorfeld der Demonstration sind die Gefangenen offensichtlich
von der Gebäudeseite entfernt worden, die an den Platz der Demonstration
grenzt. Dennoch war es möglich mit den Insassen akustisch Kontakt
aufzunehmen. Die Leute in Gefängnis reagierten auf jeden der Aufrufe
der Karawane, die in vielen Sprachen (türkisch, arabisch , russisch...)
gerufen wurden. Es gab weniger Reaktion auf den russischen Aufruf, aber
massenhaft Antwort auf die türkischen Ansagen.
Es war möglich ein Interview mit 3 Polizeibeamten über die Situation
im Gefängnis zu führen.
Abends gab es eine Diskussion zu den Themen Rassismus und Sexismus, die
in zwei Gruppen aufgeteilt wurde. Eine behandelte die Fragen:
1) Haben deutsche antirassistische Gruppen andere Meinungen/Ansichten
über Flüchtlinge, als die deutschen Behörden
2) Nein heißt Nein! Die andere Gruppe sprach über
3) Was getan werden sollte und was nicht!
4) Wir sind hier weil Ihr unsere Länder zerstört Die Diskussionen
verliefen glatt und engagiert, danach trafen sich beide Gruppen, um Ergebnisse
auszutauschen.
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