Bereits im Vorfeld
und auch am Sonntag wurden Flüchtlinge in beiden Lagern von den Behörden
massiv eingeschüchtert und mit Repressionen bedroht. Informationsblätter
wurden eingesammelt, vor dem Kontakt mit BesucherInnen aus dem No-Lager-Netzwerk
gewarnt und Strafen angekündigt, falls Flüchtlinge an den Aktionen
teilnehmen würden. Bei beiden Flüchtlingslagern wurden für
den gesamten Tag Besuchsverbote verhängt. In Horst kam es kurzzeitig
zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und KundgebungsteilnehmerInnen,
nachdem ein Polizist penetrant in die Kundgebung schritt, um Nahaufnahmen
von TeilnahmerInnen zu machen. (siehe Bilderstrecke). Dabei gab es drei
Festnahmen.
Trotzdem kamen aus dem Lager Horst viele Flüchtlinge vor das verschlossene
Tor, und ca. 15 von ihnen fuhren in Bussen mit nach Schwerin. Sie berichteten
von den Bedingungen im bisher als Erstaufnahmeeinrichtung dienenden, jetzt
aber in eine Art Abschiebzentrum umgewandelten Lager Horst, in das 2006
auch alle Flüchtlinge, für die Hamburg zuständig ist, verlegt
werden sollen. RednerInnen stellten einen Zusammenhang her zwischen dieser
Aus-Lagerung von Flüchtlingen aus den europäischen Metropolen
in die Wälder und der geplanten und z.T. bereits praktizierten Internierung
von Flüchtlingen und MigrantInnen in nordafrikanischen Wüstencamps.
Abschreckung, Hinderung an der Einreise und Erleichterung der Abschiebung
sind die Ziele derjenigen, die diese Lager planen und betreiben. Während
der Redebeiträge kam es durch aggressives Filmen der Polizei zu einer
angespannten Stimmung, und statt zu deeskalieren, reagierte die Polizei
mit drei Festnahmen. Weitere Verhaftungen wurden angedroht, und um eine
Eskalation zu verhindern, brachen die VeranstalterInnen die Kundgebung
früher als geplant ab. Vier Busse und mehrere PKWs setzte sich in
Bewegung, um nach Schwerin weiter zu fahren.
Auch die Flüchtlinge, die in Schwerin-Görries in einem Containerlager
leben müssen, wurden zunächst von einem Polizeiaufgebot mit
kläffenden Hunden am Verlassen des Lagers gehindert und erneut drohten
Festnahmen. Erst nach Protesten der DemonstrantInnen und Verhandlungen
mit der Polizei durften Flüchtlinge an der Kundgebung und einem Picknick
teilnehmen.
Mit Verspätung fuhr der Konvoi in die Schweriner Innenstadt, wo dann
lautstark und bunt die Abschlussdemonstration stattfand. Erst nach Ende
der Veranstaltung wurden die beiden vor dem Lager Horst in Gewahrsam genommenen
Demonstrationsteilnehmer wieder freigelassen.
Das No-Lager-Netzwerk wird, zusammen mit einem breiter werdenden Spektrum
an Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, weiter Lager als
Nicht-Orte, die der Menschenwürde widersprechen, kritisieren und
aufsuchen. Damit wollen wir versuchen, die Isolation der in den Lagern
internierten Menschen zu durchbrechen und gemeinsam mit ihnen für
Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, gegen Abschiebungen, für ein
Bleiberecht und menschenwürdiges Wohnen für alle kämpfen.
Weitere Informationen sowohl zu den Aktionen und Aufrufen(den) als auch
zu den besuchten Lagern auf: www.nolager.de
und www.fluechtlingsrat-hamburg.de
(Pressemitteilung des No-Lager-Netzwerks vom 25.9.05)
Weiterer Bericht und Einschätzung des Aktionswochenendes
Bereits zum dritten Mal
in diesem Jahr ist das bundesweite NoLager-Netzwerk auf Achse gewesen. Am
Samstag (24.9.) fand eine gemeinsam mit dem Komitee für Grundrechte
und Demokratie organisierte Demonstration mit etwa 500 Leuten zum Abschiebelager
Bramsche/Osnabrück statt. An der Demo beteiligten sich auch 50 Leute
aus dem Lager, darunter zahlreiche, ungewöhnlich widerstandslustige
Kinder. Im Anschluss machte sich dann ein Bus- und Autokonvoi Richtung Osten
auf den Weg. Übernachtet wurde in einem staats-
und kirchenfeindlichen Benedektiner-Kloster bei Salzwedel. Am Sonntag (25.9.)
ging es zunächst beim Ein- und Ausreiselager Horst/Mecklenburg-Vorpommern
handfest zur Sache: Nachdem das eiserne Schiebetor am Eingang mehrere Minuten
lang kräftig ins Wanken gebracht worden war, drehte die Polizei auf:
es kam zu Rangeleien und 3 Festnahmen. Im Anschluss fuhr der Konvoi mit
etwa 200 Leuten weiter zum Container-Lager Görries am Stadtrand von
Schwerin - und wurde dort von völlig durchgeknallten Polizeihunden
(inklusive nicht minder merkwürdiger Herrchen) in Empfang genommen.
Am Ende des Tages wurde schließlich noch im Galopp durch die Schweriner
Innenstadt demonstriert.
Die Demo in Bramsche
(wozu ihr hier keine Bilder findet) war wie bereits im letzten Jahr während
der Anti-Lager-Action-Tour ziemlich groß. Allerdings hatte die Polizei
besser vorgesorgt: In etwa 30 Metern Entfernung vom Zaun hatte sie Absperrgitter
aufgestellt. Diese konnten zwar auseinandergerissen werden, bis zum Zaun
hat es dieses Mal allerdings nicht gereicht. Um so erfreulicher war es,
dass mehr Leute aus dem Lager an der Demo teilgenommen haben als letztes
Jahr, auch wenn sich Polizei und Lagerleitung einmal mehr nicht an die
Absprachen gehalten haben: Als die Demo das Lager erreicht hatte, konnten
die Leute, die noch im Lager waren, nicht einfach rauskommen (wie verabredet),
sie wurden vielmehr einzeln durchs Seitentor geschleust und dabei natürlich
registriert. In Horst wurden wir zwar von einem großen Polizeiaufgebot
erwartet, das Tor jedoch war ungesichert. Diese Chance ließen wir
uns nicht entgehen: Angefeuert durch Trommeln und den Slogan "Das
Lager muss weg" wurde minutenlang heftig am Tor gerüttelt, letztlich
dürfte es einzig deutscher Wertarbeit geschuldet gewesen sein, dass
das Tor nicht ,kollabiert' ist. Das wiederum hat die Polizei als willkommenen
Anlass genutzt, so richtig aufzudrehen. Die Videoabteilung der Polizei
hatte Bilder verschiedener Personen aufgenommen und fing nun an, diese
zu suchen. Dafür schritt ein Polizist demonstrativ in die Kundgebung
und filmte. Das Ganze endete in einer etwa 20 minütigen
Schubserei bzw. Rangelei, in deren Verlauf die Mecklenburg-Vorpommersche
Polizei (samt Einsatzleitung) einmal mehr zu erkennen gab, dass Augenmaß,
Flexibilität und Deeskalation nicht gerade zu ihren hervorstechensten
Eigenschaften gehören, was in unserem Fall auch damit zu tun haben
dürfte, dass eine streßfreie Kontaktaufnahme mit Flüchtlingen
in den Lagern (Stichwort: "Isolation unterwandern') politisch unerwünscht
ist.
Wir brachen die Kundgebung sodann ab und machten uns auf den Weg zum Container-Lager
Görries-Schwerin (wofür in der Nähe des Lagers eigens 2
Spuren einer 4-spurigen Bundesstraße komplett abgesperrt wurden!).
Vor Ort wurde uns zunächst seitens der Polizei mitgeteilt, dass noch
zwei per Bild gesuchte Personen festgenommen werden sollten. Atmosphärisch
unterstrichen wurde dies durch die bereits erwähnten Hunde. Wir hingegen
ließen es von unserer Seite verabredungsgemäß etwas ruhiger
angehen, worauf sich auch die Polizei einließ, zumindest andeutungsweise.
Es wurden mehrere Reden gehalten, außerdem nahmen auch in Görries
zahlreiche Flüchtlinge aus dem Lager an der Kundgebung teil. Einige
kamen anschließend auch mit, so wie schon in Horst.
In Schwerin hatten wir leider nur noch wenig Zeit. Dafür war die
Schweriner Innenstadt voll mit Menschen, insofern dürften wir auch
dort unser zentrales Ziel erreicht haben (,Öffentlichkeit herstellen').
Die in Horst Festgenommenen wurde erst nach Demo-Ende wieder freigelassen,
die zur Festnahme ausgeschriebenen AktivistInnen konnten zum Glück
nicht festgenommen werden, was wohl auch der Entschlossenheit der Demo
zu verdanken war, dies nicht einfach zuzulassen.
Festzuhalten bleibt zweierlei: 1. Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern
wurden die Flüchtlinge der von uns besuchten Lager (und weiterer
Lager) massiv durch die Behörden und Lagerleitungen eingeschüchtert.
Allenthalben wurde ihnen erzählt, sie würden in noch schlechtere
Lager verlegt werden bzw. ihre Asylverfahren würde negativ beschieden
werden, sollten sie an den Aktionen teilnehmen. Das hat die Planungen
im Vorfeld erheblich erschwert, unter anderem sind die BewohnerInnen eines
gesamten Heimes (was wir sodann nicht besucht haben) fast geschlossen
aus der Vorbereitung ausgestiegen. 2. Wir haben in den Wochen vor der
Aktionstour unglaublich intensiv geworben -
und hierauf vergleichsweise viel positives Feedback und Vorabberichterstattungen
erhalten (erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die 4-seitige NoLager-Zeitung,
die am 9. September der bundesweiten taz beigelegt worden war). Dennoch
haben an den Aktionen selbst fast nur die üblichen Verdächtigen
teilgenommen. Daran hat auch der Umstand nichts geändert, dass wir
die Aktionen in Bramsche zusammen mit dem Komitee für Grundrechte
und Demokratie vorbereitet hatten.
Insgesamt scheint das wieder mal zu zeigen, dass Bewegungspolitik bzw.
street-activism derzeit einfach nicht besonders angesagt ist - und zwar
innerhalb der radikalen Linken genauso wenig wie in links-bürgerlichen
Kreisen.
Paul (aus dem Vorbereitungskreis)
Nähere Infos zum Aktionstag, zu früheren Aktionen und zum deutschen,
europäischen und globalen Lagersystem findet ihr unter www.nolager.de
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