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Schnurlos gekettet

 

Im Dauerregen und in der allgemeinen Tristesse fiel mir nichts mehr über "Südchina" ein. Mein Tagebuch blieb leer. Nach wochenlangem Warten auf etwas Sonne hatte ich das Thema resigniert abgehakt. Erwähnenswert und passend zu diesem grauen Alltag waren vielleicht die dubiosen Gestalten auf Straßen und in Restaurants, die mit ihren schnurlosen Telefonen lauthals in alle Richtungen telefonierten.
Sie machten kein Geheimnis aus dem Spiel mit der neuen Technik und kein Hehl aus ihrem Spaß an der Sache. Waren es chinesische Geschäftsleute, die auf Straßen und Märkten inmitten des hektischen Treibens im Regen ihre dringende Order übermittelten? Oder waren es die Typen der Geheimpolizei, die - in Zivil - aus ihrer Funktion kein Geheimnis machten?

Die Männer brüllten bei Wind und Wetter und im Trubel der sich drängenden und schiebenden Menschen ins Handy. An Billardtischen und inmitten von Gruppen junger Leute standen sie in den Restaurants und schauten dem fremden Gast neugierig über die Schulter. Weder griffen sie in irgendeine persönliche Auseinandersetzung ein, noch führten sie einen Bürger in Handschellen ab. Sie waren einfach nur da, überall präsent in einer Art, als interessiere sie alles herzlich wenig, solange sich niemand zu weit vom vorgeschriebenen sozialistischen Weg entfernte.
"In China hat man mehr Freiheiten als in Vietnam" hatte ein alter Chinese in Sanya zu mir gesagt. Und der ausgestiegene Australier hatte ärgerlich gerufen: "Hier in China lebt man die Freiheit, von der man in Europa immer nur faselt!"
Jeder Vergleich hinkt, aber ein Hinkender ist lebendiger als ein Toter. Wobei auch dieser Vergleich am Krückstock geht...