Südindien, Farbimpressionen, 1993, Teil 1 / 1199m
Fotos und Texte von Otto Göpfert

Kontakt über: post@umbruch-bildarchiv.de
Zurück Home Weiter

 

1199m

1199m.jpg

 

6
Ich erkannte: Geld kann Positionen schaffen, die das Selbstbewußtsein zwar nicht formen, aber durchaus stabilisieren helfen auf festem Grund, es in Ruhe wachsen und sich entwickeln lassen und gegen viele hemmende Einflüsse abschirmt. Eine Ökonomie der Persönlichkeitsentwicklung - jene einer Selbstverwirklichung im Low Budget-Rahmen, um garstig zu reden.
In Europa hatte ich nie daran gedacht, daß ich einmal so verfahren würde. Aber vieles häutet sich im Alter, manches läutert das Alter. Lebensträume sterben, das Ideal des in sich ruhenden Bodhisattva rückt in weite Ferne, und ein Bauernspruch lautet: "Armut ist keine Schande, aber ein leerer Sack steht nicht gut aufrecht!" Vielleicht wird aus mir am Ende doch noch ein scharfer Finanzhai, ein nimmersatter Spekulant, ein gelackter Börsenmann, ein Verehrer des schnöden Mammons!...


Jeder klammert sich an den rettenden Strohhalm, wenn es um das Überleben geht, und das betrifft die materielle Seite im Dasein ebenso wie die existentielle. Für viele Menschen waren wenige Rupien der rettende Halm, sie erhielt eine kleine Gabe am Leben; mich bestätigte die Position, die ich durch meine Gabe erlangte, existentiell. Natürlich spielte ich diesen Trumpf nicht aus, hämmerte ich ihn nicht in überheblicher Siegerpose auf den Tisch, zeigte ich keine Überlegenheit. So schwach bin ich nicht. Es war ein Handel, der beiden Seiten zum Wohle ge-reichte - der gebenden wie der nehmenden. Ich versuchte dabei zu lernen, daß Geben ohne Rückantwort zu geschehen hat. Aber noch brauchte ich die Quittung über meine Spende in Form der Bestätigung meines kleinen Ichs.
Zurück Home Weiter