Die Antifaschistin und Schriftstellerin
Vera Friedländer ist tot. Sie starb am 25. Oktober 2019 im Alter von
91 Jahren. Noch im hohen Alter war Vera Friedländer aktiv, nicht nur
in ihren Lesungen sondern auch im Austausch mit jungen Menschen. Mit ihrer
offenen und zugewandten Art konnte sie Jugendlichen etwas vermitteln, was
diese nicht in Geschichtsbüchern finden. Ihre Geschichte erzählt
Vera Friedländer im Film: Das gestohlene Leben, der 2016
im Rahmen eines Theaterprojektes mit Schüler*innen und Lehrern der
Corrie-ten-Boom-Schule in Prenzlauer Berg entstand.
Über mehrere
Monate haben Schülerinnen und Schüler der 7.-10. Klasse der
Corrie-ten-Boom-Schule mit ihren Lehrerinnen Frau Bliese und Frau Pirschel
ein Stück über die Geschichte einer jungen Frau eingeprobt,
die von den Nazis als "Halbjüdin" diskriminiert wurde.
Ihre Mutter war Jüdin, ihr Vater war kein Jude. Es ist die Geschichte
von Vera Friedländer und ihrer Familie. Viele ihrer Angehörigen
wurden deportiert und in Auschwitz, Theresienstadt und anderen Orten ermordet.
Vera Friedländer begleitet die Proben bis zu ihrer Aufführung
und macht mit den Schülern Ausflüge zu Orten ihrer Geschichte.
1945 hat sie als 16-jährige bei Salamander in der Köpenicker
Straße 6a in Kreuzberg gearbeitet, als unbezahlte Zwangsarbeiterin
in einem Schuh-Reparaturbetrieb.
"Ich war 14 Jahre alt, als ich begriff, in welcher Gefahr die
große Berliner jüdische Familie war, zu der ich gehörte.
Das war 1942. Da rollten die Deportationszüge. Im Januar war auf
der Wannsee-Konferenz bestimmt worden, wie die Endlösung der
europäischen Judenfrage zu organisieren sei und um wie viele
Juden es sich handelt. Im Jahr darauf waren alle Sternträger der
Familie verschwunden. Im Herbst 1944 versuchten die Nazis, die Mischehen
zu trennen, um die letzten Juden und die Nachkommen dieser Ehen in Vernichtungslager
zu schaffen. Die Mischehe war nach Nazi-Recht auf ungewisse
Zeit geschützt. Mein Vater, der kein Jude war, wurde vor die Wahl
gestellt, sich scheiden zu lassen oder in ein Lager zu kommen. Er wählte
das Lager. Und ab Januar 1945 musste ich Zwangsarbeit im Reparaturbetrieb
von Salamander leisten. Wir drei, meine Eltern und ich, überstanden
diese Zeit und wurden im Mai befreit.
Darüber habe ich mit Schülerinnen und Schülern der Corrie-ten-Boom-Schule
gesprochen, als sie mein Stück Späte Notizen für
eine szenische Lesung probten. Es gab viele Gespräche und viele Fragen,
denn es fiel den Jugendlichen schwer, die eigentlich unbegreifliche Vergangenheit
zu verstehen. Besonders das Problem der Zwangsarbeit beschäftigte
sie. Wir gingen gemeinsam zur Köpenicker Straße und ich zeigte
ihnen, wo ich täglich zur Zwangsarbeit erscheinen musste. Hier war
ich mit Polen, Serbinnen, Franzosen, deutschen Jüdinnen tagsüber
eingesperrt. Wir wurden von SS bewacht, zur Arbeit angetrieben und manchmal
auch misshandelt. Ich konnte den Jugendlichen etwas vermitteln, was sie
nicht in Geschichtsbüchern finden." (Vera Friedländer
im Mai 2016)
Film: "Das gestohlene
Leben" (49 Min., Mai 2016, Umbruch Bildarchiv)
Die Dokumentation enstand im Rahmen eines Projektes von David Friedländer
e.V. in Zusammenarbeit mit der Corrie-ten-Boom-Schule über Zwangsarbeit
und jüdisches Leben 1945 in Berlin. Gefördert durch Aktion
Mensch.
Film:
"Das gestohlene Leben"
(49 Min., 418 Mb, mp4)
Ein Film von Hermann Bach/Umbruch Bildarchiv
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