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Oury-Jalloh Demo

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THEMA: Oury Jalloh - Tod im Polizeirevier
ORT: Dessau
ZEIT: 23. Juni 2007
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv/ 3423 \
 

"Break the silence"

Am 23. Juni 2007 demonstrierten in Dessau rund 200 Menschen in Gedenken an Oury Jalloh und Dominique Koumadio, der in Dortmund von einem Polizisten erschossen wurde. Anlass für die erneute Demonstration war die Entwicklung des Prozesses um den Tod des Flüchtlings Oury Jalloh aus Sierra Leone/Guinea sowie Angriffe auf Aktivisten der Gedenkinitiative.
Der Prozess gegen die Polizeibeamten Andreas S. und Hans-Ulrich M begann am 27. März 2007, mehr als zwei Jahre nach Oury Jallohs Tod, vor dem Landgericht Dessau. Den Beamten wird "Körperverletzung mit Todesfolge" bzw. die "fahrlässige Tötung" Oury Jallohs vorgeworfen. Eine Aufklärung, wie Oury Jalloh ums Leben kam ist immer noch nicht in Sicht. Obwohl mittlerweile die Befragung der Polizeizeugen sogar durch den Vorsitzenden Richter an Schärfe zugenommen hat, weil Widersprüche in ihren Aussagen offensichtlich wurden, werden bisher in der Verhandlung grundsätzliche Fragen nicht oder nur am Rande behandelt. Nach wie vor ist z. B. völlig ungeklärt, wie es zum Nasenbeinbruch Oury Jallohs kam, wie das Feuerzeug in die Zelle gelangte und wie der an Füßen und Händen gefesselte Gefangene die schwer entflammbare Matratze angezündet haben soll. Die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" stellt berechtigterweise in ihrem Aufruf zur Demonstration die Grundannahme des Verfahrens in Frage, das von einem Selbstmord Oury Jallohs ausgeht: "Alle Ermittlungen sind darauf beschränkt, die These zu beweisen, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet hat." Untenstehend dokumentieren wir die Stellungnahme der Initiative Oury Jalloh.

 
Fotos: Marco del Pra'/Umbruch-Bildarchiv
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(Foto: Marco del Pra' #1325d) (Foto: Marco del Pra' #1325e) (Foto: Marco del Pra' #1325f) (Foto: Marco del Pra' #1325g) (Foto: Marco del Pra' #1325h) (Foto: Marco del Pra' #1325i) (Foto: Marco del Pra' #1325j (Foto: Marco del Pra' #1325k) (Foto: Marco del Pra' #1325l) (Foto: Marco del Pra' #1325m) (Foto: Marco del Pra' #1325n) (Foto: Marco del Pra' #1325o) (Foto: Marco del Pra' #1325p) (Foto: Marco del Pra' #1325q) (Foto: Marco del Pra' #1325r)

Stellungnahme der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh:

Diejenigen, denen die Brutalität des südafrikanischen Apartheidregimes bewusst ist, können sich diese Situation nur allzu gut vorstellen: ein schwarzer Mensch ist auf eine Pritsche mit feuerfester Matratze an Händen und Füßen gefesselt. Stunden später ist dieser Mensch tot, sein Leichnam völlig karbonisiert, die oberen Teile seiner Finger komplett weggebrannt. Die offizielle These: Selbstmord.

Am 7. Januar 2005, ist Oury Jalloh unter genau diesen Umständen in Dessau gestorben und somit auf ewig zu einem Flüchtling gemacht worden. Am selben Tag wurde das Leben eines zweiten Afrikaners von der Polizei ausgelöscht: Layé Konde, der zehn Tage zuvor auf Grund eines gewalttätigen Brechmitteleinsatzes ins Koma gefallen war, verlor sein Leben ebenfalls am 7. Januar 2005. Keiner der verantwortlichen Polizeibeamten ist bisher verurteilt worden.

Der Tathergang lässt für uns leider nur eine These zu und die heißt: Das war Mord. Seitdem wir uns in der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh organisiert haben, haben wir immer wieder betont, dass der Tod Oury Jallohs für uns so lange Mord bedeutet, wie die Staatsanwaltschaft Dessau nichts unternimmt, um den Fall gründlich aufzuklären. Allerdings sprach die Staatsanwaltschaft schon bevor der Prozess überhaupt begann, ausschließlich von einer These: Das war Selbstmord. Diese These erhält sie bis jetzt aufrecht, entgegen aller Indizien, wie der feuerfesten Matratze, der Tatsache, dass Oury J. an Händen und Füßen gefesselt war, dem Feuerzeug, das erst in einem zweiten Protokoll auftaucht, dem Nasenbeinbruch, der in einer unabhängigen Autopsie festgestellt wurde, etc.

Die laufende Gerichtsverhandlung im Fall Oury Jalloh bestätigt unsere Sorgen bezüglich der zweijährigen Verschleppung des Prozesses. Der Prozess ist seit seinem Beginn gekennzeichnet von penetrantem Nicht-Erinnern bzw. selektivem Detailwissen seitens der verhörten Angeklagten und Zeugen, die alle der Dessauer Polizei angehören. Obwohl es mehr als genügend Anlässe gäbe, dem Thema Rassismus in Bezug auf den Tathergang sowie den Verlauf des gesamten Prozesses größere Beachtung zu schenken, wird das Thema von der Dessauer Staatsanwaltschaft und dem Gericht konsequent umgangen. Alle Ermittlungen sind darauf beschränkt die These zu beweisen, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet hat.

Stattdessen laufen mittlerweile bereits diverse Ermittlungsverfahren gegen Aktivisten der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Ermittelt wird unter anderem wegen Beleidigung, bezogen auf unsere Worte „Das war Mord“. Einige Aktivisten wurden selbst im Gerichtssaal verfolgt und mit Anzeigen bedroht. Außerdem wurde durch die Beschlagnahmung eines der Transparente mit der Aufschrift „OURY JALLOH, DAS WAR MORD!“ bei einer Mahnwache vor dem Landgericht unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt.

Dazu kommt, dass es erneut Drohungen gegen Mouctar Bah gibt, den vorherigen Besitzer des Dessauer Telecafés, der gleichzeitig der internationale Sprecher der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ist. Am 7. Februar 2006 wurde sein Telecafé zwangsweise geschlossen und ihm wurde sein Gewerbelizenz entzogen. Als Begründung wurde genannt, Mouctar Bah hätte nicht genug gegen die Drogenverkäufer auf der Strasse vor seinem Laden unternommen. Nun droht das Ordnungsamt Dessau dem mittlerweile deutschen Besitzer des Ladens, für den Mouctar Bah seitdem als Angestellter arbeitet, mit der Schließung des Telecafés. Der Grund dafür: Mouctar Bah arbeite immer noch dort.

Doch mit der Verfolgung Mouctar Bahs durch die Stadt Dessau war es noch nicht getan. In der Nacht zum 14. Mai 2007 beschmierten Neonazis neben einer Gedenkstelle, die an die Deportation der Dessauer Juden und die Zerstörung der Synagoge erinnert, auch den ehemaligen Laden von Mouctar Bah mit Hakenkreuzen und SS-Runen. Diese Attacken stehen in einer Reihe mit den rechten Übergriffen in Halberstadt, Cottbus und Bemberg.
Trotz dieser Tatsache ist es Dessauer Neonazis erlaubt, dem Prozess im Fall Oury Jalloh als „normale“ Beobachter beizuwohnen und darüber volksverhetzende Berichte auf ihren Internetseiten zu veröffentlichen. Zu alldem kommt noch ein weiterer Skandal, den leitenden Polizeidirektor Dessaus, Hans-Christoph Glombitza betreffend: Unter staatlichen Eid hatten drei nun versetzte Staatsschützer Glombitza beschuldigt, versucht zu haben, die Verfolgung rechtsextremistischer Straften zu bremsen: „Man muss doch nicht alles sehen“. Ergänzend erklärte er, dass Regierungsprogramme wie die Aktion „Hingucken!“ sowieso nur für die Galerien seien. Volker Bittermann, leitender Staatsanwalt Dessaus, hat seinerseits die Ermittlungen diesbezüglich schon eingestellt. «Der Vorwurf ist widerlegt. Wir wissen, dass zwischenmenschliche Probleme dahinter gesteckt haben», so Sachsen-Anhalts Innenminister Wolfgang Böhmer.

Und so gehen die Dinge ihren Lauf. Vertuschen, Verschleppen, Vergessen. In diesem Sinne ist es für uns kein Wunder, dass die Forderung der Nebenklage, Anklage zu erheben gegen den Arzt Dr. Blödau, der Oury Jalloh untersucht hatte und durch seine besonders rassistischen Äußerungen gegenüber schwarzen Menschen aufgefallen war, von der Staatanwaltschaft Dessau zurückgewiesen worden ist. Dr. Blödau hatte bereits im November 2002 Mario Bichtermann untersucht, der unter bisher ungeklärten Umständen in der selben Zelle wie Oury Jalloh ums Leben gekommen ist.

Rosa Amelia Plumelle-Uribe, eine der internationalen ProzessbeobachterInnen erklärte vor einigen Wochen zu dem bisherigen Prozessverlauf: „Das Gericht steht vor der Wahl, sich vom Rassismus der Polizei zu distanzieren und ihn zu verurteilen oder ihn zu entschuldigen und zu unterstützen.“ Wir sind der Meinung, dass dies genauso für die Medien und die Politik sowie für die gesamte Gesellschaft gilt.

Bei der Demonstration wird die Initiative auch an Layé Konde (Sierra Leone) erinnern, der am 29. Dezember 2004 in Bremen auf Grund eines gewalttätigen Brechmitteleinsatzes der Polizei ins Koma gefallen ist und 10 Tage später – also am 7. Januar 2005, Oury Jallohs Todestag – gestorben ist.
Des Weiteren erinnern wir an Dominique Koumadio (Kongo), der am 14. April 2006 in Dortmund von der Polizei erschossen (Ermittlungen: eingestellt) wurde, John Achidi (Nigeria/Kamerun), der 2001 in Hamburg ebenfalls durch einen Brechmitteleinsatz sein Leben velor. Wir werden ebenfalls des gewaltsamen Todes von Osamuyia Aikpitanhi (Nigeria), der am 9. Juni 2007 an Händen und Füßen gefesselt, mit Lumpen geknebelt, die Lippen mit einem Klebeband abgedeckt, bei einem Abschiebeversuch aus Spanien getötet worden ist - laut Polizei war es „Selbstmord“, gedenken.

Wir rufen alle solidarischen Menschen auf, nach Dessau zu kommen, um sich an unserer Demonstration in Gedenken an Oury Jalloh zu beteiligen. Ihrerseits rufen wir die Medien, auf dieser Demonstration bzw. dem Fall Oury Jalloh als solchen ihre besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Presseerklärung vom 19. Juni 2007


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