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Am Abend stellte ich den Fernseher nicht an. Ich trank meinen OLD MONK
mit sehr gemischten Gefühlen und fragte mich, was meine alten Lehrer
über mich denken würden, hätten sie mich am Morgen in
meiner kläglichen Rolle gesehen. Ich nahm Fontanes Roman "Der
Stechlin" zur Hand und war beruhigt. In diesem Roman wird nicht
einmal scharf geschossen. Die Handlung spielt in der Zeit zwischen den
Kriegen, jene des Reflektierens, des Stammtisch-Räsonierens, der
Erinnerung an alte preußische Blut-und-Boden-Parolen, alter brandenburgischer
Traditionen - bis zum Ersten Weltkrieg, als die Waffen wieder sprachen.
Da weilte Fontane nicht mehr unter den Lebenden. Wer seinen Roman genau
liest, weiß, daß Fontane den Krieg heraufziehen sah. Man
kann das gar nicht überlesen. Aber Lesen und Erleben sind eben
zweierlei.
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Ich entschied mich, es beim Lesen und bei meinem Wolken-Kuckucksheim zu
belassen und um Fernseher und Action-Thriller künftig einen großen
Bogen zu schlagen. In der Vergangenheit war ich damit gut gefahren, und
so soll es künftig bleiben. Bereits in der nächsten Stadt im
nächsten Hotel gelang es mir, ein Zimmer im neunten statt im siebten
Stock zu mieten, fürwahr ein beruhigend schneller Aufstieg in noch
höhere Sphären meiner wunderlichen Einsamkeit. |
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