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Ich versuchte, dem indischen Fisch auf die Schliche
zu kommen, ihn endlich an die Angel zu bekommen, bevor es zu spät
war - wollte ihm Salz auf den Schwanz streuen, ihn festhalten, bevor
er in irgendwelchen Hotelküchen und Restaurants auf Nimmerwiedersehen
ver-schwand. Ich versuchte den aalglatten, schleimig-nassen Fisch
zu packen, bevor er meinen Fingern entschlüpfte - hinein in die
HILTON-Hoteltöpfe und -Pfannen für die Begüterten.
Ich suchte und besuchte Fischerdörfer, reiste fünfhundert
Kilometer die Küsten Keralas hinauf und die von Tamil Nadu hinunter,
sah in Mengen Fische am Strand, glänzend in der Sonne, frisch
und naß vom Fang: den King- oder Thunfisch, den roten oder blauen
Baracuda und wie sie alle heißen. Sah auf den Märkten alte
Frauen kleine Fische zu hohen Preisen verkauften. In den Restaurants
wurde mir jedoch höchstens der Abklatsch dessen serviert, was
ich unter "Fisch" verstehe: ein deformiertes Etwas, ein
bis zur vollkommenen Unkenntlichkeit verbratener Winzling.
Das Eckrestaurant an der Beach Road in Calicut hatte überhaupt
keinen Fisch auf der Speisekarte. Dabei lag das nächste Fischerdorf
an der gleichen Straße einen knappen Kilometer entfernt. Später
begann ich zu manipulieren, bestellte gleich zwei oder drei Portionen
in der Hoffnung, die Chance würde größer sein, einmal
ein fischähnliches Stück auf meinem Teller zu finden. Doch
traf das nie zu. Der Fisch machte sich unsichtbar. Sogar an der größten
Anlandungsstelle, im Fischerort Negombo auf Sri Lanka, verschwand
er sofort nach seiner Anlandung in wartenden, bunt bemalten Kühltransportern,
um irgendwohin transportiert zu werden - nach Colombo vielleicht,
doch in welche geheimnisvollen Kanäle? Diese Frage wird mich
bis lange beschäftigen.
Ich schaute dem frischen Fisch hungrig hinterher und leckte die Lippen.
Ich beschloß, zurück in Berlin, sofort in das erste, beste
NORDSEE RESTAURANT zu gehen und mir ein geschmackloses Fischfilet
aus dem Tiefkühlfach bestellen. Ich würde verzweifelt versuchen
mir vorzustellen, wie gebratener frischer Fisch schmeckt. Dabei würde
ich von den fischreichen Stränden Keralas und Tamil Nadus träumen,
diesen für den armen Inder und auch für mich Low Budget-Reisenden
ewig verschlossenen Fischparadiesen.
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