1.
Mai '08
Staatsterror in Istanbul
Im Gegensatz zum Vorjahr
riefen in diesem Jahr alle großen Gewerkschaftverbände, linke
Parteien und Organisationen dazu auf, zum Taksim-Platz zu marschieren
und dort gemeinsam gegen die "Sozialreformen" der AKP-Regierung
zu demonstrieren und an das Blutbad von 1977 zu erinnern. Der Staatsterror
hatte damals 36 Menschen das Leben gekostet und seither sind Demonstrationen
auf dem Taksim verboten. Unter der Militärdiktatur wurde der 1. Mai
ab 1980 als Feiertag aufgehoben.
In diesem Jahr sollten bis zu 500.000 Menschen zusammenkommen und erstmals
seit 31 Jahren den Taksim mit all seiner Symbolik wieder zum Ort des geeinten
Widerstands machen und den 1. Mai als Kampftag zurückerobern.
Sich der großen Symbolkraft bewußt, setzten Premierminister
Erdogan und der Gouverneur von Istanbul ein absolutes Demonstrations-
und Versammlungsverbot in der Metropole am Bosporus durch. Dafür
bot der Staatsapparat eine Armee von 30.000 Polizisten mitsamt schwerem
Gerät auf. Der 1. Mai 2008 wurde damit zu einer gegen die ArbeiterInnenbewegung
und sozialen Bewegungen gerichteten Machtdemonstration. Jegliche Versuche
tausender GewerkschafterInnen und AktivistInnen den Protest auf die Straße
zu tragen, erstickten im dichten Nebel des Reizgases, das aus rund 1.500
an diesem Tage abgefeuerter Gasgranaten strömte. Selbst konservative
türkische Zeitungen und Fernsehkanäle zeigten sich erschrocken
über die Brutalität der aus verschiedenen Städten angekarrten
Einsatzkräfte. Minutenlang konnte auf den Bildschirmen verfolgt werden,
wie Polizisten mit Tritten, Schlägen, Gasgranaten und Wasserwerfern
gegen DemonstrantInnen und PassantInnen vorgingen. Selbst in ein Krankenhaus,
in das sich Demonstranten geflüchtet hatten, schossen die Staatsdiener
mehrere Reizgasgranaten.
Trotz der massiven Repression ließen sich viele GewerkschafterInnen
und andere AktivistInnen nicht einschüchtern und versuchten, gegen
den Polizeiterror zu widerstehen und zum Taksim zu gelangen. Als Reaktion
auf die Geschehnisse fordern die Gewerkschaftsverbände DISK und KESK
den sofortigen Rücktritt der Regierung und des Gouverneurs von Istanbul
und planen für die nächsten Wochen Massendemonstrationen gegen
die Regierung.
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